Jürgen G. Nagel
Abenteuer Fernhandel. Die Ostindienkompanien
Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt 2007
»Die große Industrie hat schon dadurch, dass sie den Weltmarkt geschaffen hat, alle Völker der Erde, und namentlich die zivilisierten, in eine solche Verbindung miteinander gebracht, dass jedes einzelne Volk davon abhängig ist, was bei einem andern geschieht.« Friedrich Engels: Grundsätze des Kommunismus 1847
Vier Bernsteinstraßen von zusammen etwa fünftausend Kilometern Länge durchzogen Europa bereits in prähistorischer Zeit in Nord-Süd-Richtung, vielfach bezeugt durch Münzfunde weitab deren Ursprungs. Den interkontinentalen Fernhandel haben wohl zuerst die Phönizier betrieben, also die Küstenbewohner der heutigen Staatsgebiete von Israel, Libanon, Syrien im dritten Jahrtausend vor Christus, die mit ihren Mittelmeerfahrten Afrika, Asien und Europa verbunden haben und wahrscheinlich bis Skandinavien segelten. Auch der damalige Weltverkehr bedurfte der Information und Kommunikation und bediente sich dazu der Boten und Bematisten.
Später waren das Römische Reich und die Kulturen am Indischen Ozean interkontinental tätig. Aber erst Kaiser Karl V.
(1500 - 1558) konnte behaupten, dass über seinem Reich die Sonne niemals unterginge, denn als in Aachen gekrönter Kaiser des Heiligen Römischen Reiches herrschte er über Teile Europas, Amerikas und der Philippinen und schuf die Voraussetzungen für das »Abenteuer Fernhandel«. Die niederländische Vereinigte Ostindische Companie VOC und die englische East India Company EIC wurden zu den ersten Weltkonzernen 1), die wiederum den Weg für die Kolonisierung Asiens und Afrikas bereiteten.
Im europäischen Recht haben sich vier vertraglich verankerte Grundfreiheiten herauskristallisiert, die auch Basis für Gesetzgebung und Rechtsprechung sind, nämlich freier Verkehr von
Waren (auch: Warenverkehrsfreiheit, freier Warenverkehr) Dienstleistungen (Dienstleistungsfreiheit) Kapital (freier Kapital- und Zahlungsverkehr) Personen (Personenfreizügigkeit und Niederlassungsfreiheit)
Diese vier Faktoren ermöglichen »Globalisierung« im europäischen Rahmen, indem sie nicht nur physischen Transport, sondern auch Arbeit und Geld möglichst reibungsfrei über Grenzen fließen lassen. Interessanterweise fehlt die Freiheit der Information.
Der Ökonom Branko Milanović beschreibt, wie sich die Netzwerke in drei Phasen neu verflechten mussten:
„Strukturbildende Fernverflechtungen“ (Jürgen Osterhammel
) lassen sich als Netz verstehen, in dem handelnde Menschen sich bewegen (Migration & Reisen), in dem Werte ausgetauscht werden (Wertsysteme & Kapital), Güter bewegt werden (Gepäck & Transport) und Wissen übertragen wird (Translatio studii & Translation). Da alle diese Vorgänge voneinander abhängen, muss sich ein Gleichgewicht der Kräfte einstellen, das aber auch ausmittelnd wirkt und damit ein einseitiges Wachstum verhindert bzw. Handlungsfreiheiten einschränkt. Globalisation in diesem Sinne muss aber nicht erdumspannend sein, sondern findet dort statt, wo sich Fremdes begegnet.
Die heutige Globalisierung ist nicht die erste. Es werden also geschichtlich immer wieder Kräfte wirksam, die die Globalisierung zurückdrängen. Als solche erscheinen in der heutigen Zeit:
Enid Kopper
, Rolf Kiechl
Hitchner, Bruce R.
Harmsen, Andrea
Franz Hümmerich
Erik Orsenna
Osterhammel, Jürgen, Niels P. Petersson
Pfister, Ulrich
Désirée Marie Baumann
Jürgen G. Nagel