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Bote

»Er vermacht, ehe er nach fremden Ländern geht, 
sein Vermögen seinen Kindern, 
aus Furcht vor den Asiaten und den wilden Tieren ... 
Kaum nach Hause gekommen, muss er wieder fort; 
wenn er abreist, liegt Zentnerlast auf ihm.«

Aus einem ägyptischen Papyrus der XII. Dynastie 
(24. Jahrhundert v.Chr.), worin unter anderem 
der Beruf des Boten beschrieben wird.
Gaston Maspero: Du genre épistolaire chez 
les anciens Egyptiens de l'époque pharaonique.
Paris: Franck 1873.

Boten (engl. courier) sind Einzelne, bei denen es auf Schnelligkeit und Zuverlässigkeit ankommt. Ebenso wie Fuhrleute, Träger oder Führer müssen sie Kundige sein, die den Weg kennen, Orientierungsfähigkeiten besitzen und Probleme schnell lösen können.
Boten scheinen formal lediglich ein Werkzeug für das Überbringen einer Sendung zu sein. Ursprünglich sind sie jedoch von der Sendung nicht zu trennen und daher Teil der Botschaft mit unterschiedlichen Aufgaben und Kompetenzen - Gesandte im Unterschied zum Träger - und tragen daher eine »Zentnerlast« an Verantwortung.

  • Die ersten Boten waren Läufer, die etwa 6 bis 10 Kilometer pro Stunde zurücklegten; Reittiere wurden erst später genutzt.
  • Die frühen Boten lernten ihre Botschaft auswendig.
  • Da ihre Botschaft für beide Seiten wichtig ist, genießen sie besondere Rechte und weisen äußere Merkmale auf, die sie als Boten ausweisen, etwa den (Herold-)stab, oder das Horn des https://www.rijksmuseum.nl/nl/collectie/BI-1933-996-20cursor germanus von 1558.
  • Ihre Geleitpapiere und Schutzbriefe waren Vorläufer des Reisepasses.
  • Boten bewegen sich in der Welt des Absenders und in der Welt des Empfänger sowie im Zwischenraum (Wildnis), bedürfen also entsprechender Eigenschaften als Grenzgänger.
  • Boten müssen zuverlässig sein und schnell.

Boten zwischen Ägypten und Mesopotamien

  • Meier, Samuel A.
    The Messenger in the Ancient Semitic World.
    Diss. Harvard University, 1986 (=Harvard Semitic monographs, 45) XVII, 269 S. Atlanta 1988: Scholars Press.
  • Vallogia, Michel
    Recherche sur les „Messagers“ (wpwtyw) dans les sources égyptiennes profanes.
    (Centre de recherches d'histoire et de philologie de la IVe section de l'École pratique des Hautes Études. II. Hautes Études Orientales 6) Genève 1976: Librairie Droz.
  • Windekens, A. J. van
    Zur Herkunft von heth. „haluga“
    Indogermanische Forschungen, 83 (1978) 121-122. DOI Haluga 'Nachricht' und haluga-talla 'Bote' können nur schwer aus dem hethitischen selbst abgeleitet werden, der Autor schlägt eine weitere Deutung vor. Persisches hadugā ist also entlehnt. Im Griechischen entsprechen ihm ἄγγελος und στέλλω, im Akkadischen lāsimu 'Läufer' (lú KAŠ).

Die Läufer (ruts) der Bibel

Die Bibeltexte 1) erwähnen des öfteren Läufer (Hebr. ruts, `rennen´; lat. cursores regis, gr. ἀπεστάλη), etwa um Einladungen von Stadt zu Stadt zu schicken 2), königliche 3)) Erlasse zu überbringen: »zogen auf das Wort des Königs unverzüglich aus« 4), »und die Schreiben wurden gesandt durch die Läufer in alle Länder des Königs….« 5) Nachrichten mittels einer Kette von Läufern zu zu überbringen 6).

Die Boten im persischen Reich

Die pirradaziš (`Expressboten´) sind im Archiv von Persepolis (»Festungstafeln«) dokumentiert und von Herodot beschrieben 7). Sie sollen die rund 2.500 Kilometer lange Königsstraße in sieben Tagen zurückgelegt und dabei deren 111 Raststationen in 22 Kilometer Abstand genutzt haben.
Einfache Boten hießen hutlak und konnten auch Träger (lin hutira) sein, die »Vorläufer« karabattiš, letztere vermutlich ortskundige Führer von Karawanen. 8)

  • John Hyland
    The Achaemenid Messenger System and the Ionian Revolt: New Evidence from the Persepolis Fortification Archive.
    Historia 68.2 (2019) 150-169. Online
    Ein neu aufgefundenes Dossier über den Einsatz von Pirradaziš »Expressboten« zwischen Darius und seinem Bruder Artaphernes, Satrap von Sardes, während des ionischen Aufstands 494/3 BC.

Boten im antiken Griechenland

angelós, ἄγγελος (Bote) erscheint bereits im Altgriechischen mit fremder, also älterer sprachlicher Wurzel, auch ángaros, ein persischer Kurier, 9), apostellō, ἀποστέλλω (Gesandte) sich von `senden´ (στέλλω stéllō < indogermanisch *stel-) ableitet. Im antiken Griechenland war der der Angelos heilig, weil er Nachrichten und Botschaften von außen brachte; später wurde differenziert zwischen Engel und Gast, zwischen dem Helden auf der Suche nach dem Heiligen Abenteuer und dem Reisenden.

Im antiken Griechenland wurde der Eilbote Hemerodromos genannt, weil er Nachrichten über große Distanzen innerhalb eines Tages transportierte. Das altgriechische ἡμεροδρόμος setzt sich aus `Tag´ (ἡμέρα heméra) und `Lauf´ (δρόμος drómos) zusammen, Mehrzahl Hemerodromoi. Noch heutige Wettbewerbe (Marathon, Spartathlon) beziehen sich auf Hemerodromoi wie Pheidippides 490 vor Christus, als er 247 Kilometer in zwei Tagen von Marathon nach Sparta lief, Hilfe erbittend 10) oder Thersippos/Eukles 11), der nach dem Sieg der Athener über die Perser 42 Kilometer von Marathon nach Athen lief, die Nachricht vom Sieg überbringend.
Hemerodromoi sind kaum erwachsen und »nehmen auf ihrem Laufe nichts als Bogen, Pfeile, Wurfspieß und Feuersteine mit; denn diese Dinge sind ihnen auf der Reise ungemein nützlich.« 12)
Eine Inschrift auf dem Sockel einer Siegerstatue des Philonides in Olympia lautet: »König Alexanders Eilbote und Ausschreiter Asiens Philonides des Zoitos Sohn aus Chersonaos in Kreta hat Dies dem olympischen Zeus geweiht« 13), dabei wird Bematistes mit `Ausschreiter´ übersetzt, gemeint ist jedoch eine Art Vermesser. Der Bote ist also nicht nur Sportler und Vermesser, sondern gehört auch zur sozialen Elite. Über denselben 14) sagt Plinius 15): »Philonides, der Läufer Alexanders des Grossen, legte den 1200 Stadien [ca. 240 km] langen Weg von Sicyon nach Elis in neun Stunden am Tage zurück«.

Der Bote (tabellarius) im Römischen Reich

Im römischen Reich waren Boten einfache Dienstleister, weder Helden noch Sportler, sondern Freigelassene oder Sklaven. Die tabellarii (tabellarius) transportierten schriftliche Mitteilungen (tabellae); größere Distanzen übernahmen (berittene) Kuriere stratores (sternere àufsatteln´), später auch speculatores. Dagegen war der einfache Läufer als Bote ein corisator oder cursor (pedites cursores), als Träger ein gerulus 16). Veredarius beschreibt die griechischen und römischen Boten sehr ausführlich und betrachtet sie als nachrichtendienstliche Voraussetzung für den Weltverkehr, neudeutsch Globalisierung.
So korrespondiert der griechische Götterbote Hermes mit dem angesehenen Hemerodromos, der die Welt vermisst; der römische Gott Merkur dagegen mit dem dienstleistenden tabellarius und dem Markt (lat. merx).

  • Riepl, Wolfgang
    Das Nachrichtenwesen des Altertums mit besonderer Rücksicht auf die Römer
    XIV, 478 S., Leipzig: B.G. Teubner, 1913.

Der Bote im Mittelalter

  • Borgolte, Michael
    Experten der Fremde. Gesandte in interkulturellen Beziehungen des frühen und hohen Mittelalters.
    S. 361–400 in: Borgolte, Michael, Lohse, Tillmann and Scheller, Benjamin. Mittelalter in der größeren Welt: Essays zur Geschichtsschreibung und Beiträge zur Forschung, München: De Gruyter (A), 2014. DOI
  • Elze, R.
    Über die Leistungsfähigkeit von Gesandtschaften und Boten im 11. Jahrhundert. Aus der Vorgeschichte von Canossa 1075-1077.
    In: Schimmelpfenning, B./Schmugge, L. (Hrsg.): Päpste, Kaiser, Könige und die mittelalterliche Herrschaftssymbolik. Ausgewählte Aufsätze. London 1982, S. 3–10.
  • Wolfgang Herborn
    Das Botenwesen im Herzogtum Jülich im ausgehenden 14. Jahrhundert.
    In: Beiträge zur Jülicher Geschichte 48 (1981) 49-63
  • Schwinges, Rainer C, Klaus Wriedt
    Gesandtschafts- und Botenwesen im spätmittelalterlichen Europa.
    407 S., Ostfildern: Thorbecke, 2003. Konstanzer Arbeitskreis für Mittelalterliche Geschichte, Insel Reichenau, 3-6 April 2001
  • Walser, Robert
    Lasst mich ohne nachricht nit.
    Botenwesen und Informationsbeschaffung unter der Regierung des Markgrafen Albrecht Achilles von Brandenburg.
    [1414-1486]
    Dissertation, LMU München 2004: Fakultät für Geschichts- und Kunstwissenschaften

Der Post-Pothe der Neuzeit

  • Albrecht​ Dürer: Der große Bote
    1494–1495 Kupferstich 10×11,3 cm
    Dresden, Kupferstichkabinett​
  • Albrecht​ Dürer: Der kleine Bote
    um 1496 Kupferstich 10,8×7,7 cm
    New York, Metropolitan, Museum of Art, Department of Drawings
  • Erhard Schoen: Deutscher Fürst und türkischer Bote
    um 1550 Holzschnitt & Dialog 34,4×26,3 cm, Gotha Herzogliches Museum (Landesmuseum)
  • Guler-Schule: Die junge Frau und der Bote (Indien)
    1765 London: Viktoria & Albert Museum

Ein recht lebenslustiges Bild des »neuen allamodischen Postpoten« bietet die Beschriftung eines Druckes aus Nürnberg 17), Mitte des 16. Jahrhunderts, der »mit Botenspiess und Tasche ausgerüstet … unbekümmert um Regen und Sonnenschein, von seinem treuen Hunde begleitet, kräftigen Schrittes fürbass« schreitet 18).

  • Matt, Gustav Alphons
    Die Botenanstalt Lindau-Mailand: nebst Katalog der Boten-Poststempel 1771-1826.
    [Zug-Oberwil]: [Verlag nicht ermittelbar]. Typoskript. 57 Blätter
    sowie unvollständig in: Briefmarkenrundschau. Monatsschrift für Philatelie, 24.11 (1948) 211-213, 24.12: 240-242; 25(1949): 25.1: 19-23, 25.6: 105-106, 111-112, 25.9: 151-153, 25.10: 176-178, 25.11: 207-209, 215 ; 26.1 (1950) 14-17 mne.
Ich bin die Post zu Fuss, ich bringe diess und dass; 
Denck an den kühlen Wein, so bald ich werde nass. 
Geh ich durch einen Thal, und höre Vögel singen, 
So denck ich zu dem Tisch, da die Schalmeyen klingen. 
Ich gehe durch den Wald und mancher Dörner Strauss 
Und traure, dass noch weit ist zu dess Wirthes hauss. 

Geh ich auf einen Weg, da fleusst ein Wässerlein, 
So denck ich Morgens gleich an den gebranden wein, 
So bald ich angelangt, will jeder Zeitung fragen; 
Da kan ich unverschnauft zwölf Dutzent Lügen sagen. 
Frau wirthin traget auf, und setzt das beste zu, 
Es zahlen diese Zech dess Botten neue Schuh. 

Realistischer beschrieben wird der Fußbote mit Botenschild und Botenspieß 1609 19):

Durch Windt und Schnee ich armer Held
Bey Tag bey Nacht lauff durch das Feld
Kein Hitz des Sommers mich auff helt 
Des Winters scheu ich keine Kelt 
Nach dem ich einem Bottschafft bring 
Empfaht man mich wol oder gring
Viel Newes und der Zeitung vil 
Ein iedere von mir wissen wil 
Was soll dan thun ich armer knecht 
Damit man mich nicht halt für schlecht 
Mus ich also fein warm und heiß 
Schmiden auch das so ich nicht weiß 
Kan mich auch wol accomodieren 
Vnd sagen was man gern thut hören 
Das Trinckgeld offt im Würtshauß bleibt
Des Weib und Kindt sich wenig frewt
Wen ich dan schon lang hab grunnen 
So ist nichts dan blosse Kost gwunnen

Weitere Nachrichten über Boten

Hier und da - in China, Japan, Rom - werden besondere Ansprüche an Boten geäußert:

  • genügsam: »Durch Boten wird der Wolf nicht fett« 20)
  • nicht abergläubisch, also mentale Stärke
  • körperlich belastbar, stark, wehrhaft
  • vertraulich und zuverlässig
  • besondere Kleidung oder Kennzeichen
  • Botenstab, auch als Waffe

Das Wesen des Boten erscheint vielschichtig in seinen Bezeichnungen und Funktionen als

  • Läufer
  • Botschafter und Gesandter
  • Gerichtsbote, Büttel, bevollmächtigter Stellvertreter des Gerichts- oder Grundherrn
    »Der Bote steht für zwei« 21)
  • Fürsprecher, Vertreter, Vormund
  • Brautfahrt: Begleiter der Braut
  • Überbringer von Geschenken
  • Zeuge und Bürge
  • Dienstbote und Laufbursche
  • Klosterbote und Universitätsbote
  • Überbringer göttlicher Botschaften (Engel)

Literatur

  • Hermann Glaser & Thomas Werner
    Die Post in ihrer Zeit: Eine Kulturgeschichte menschlicher Kommunikation.
    Heidelberg v. Decker 1990
  • Ferdinand Hennicke
    Das Buch von der Weltpost. Entwickelung und Wirken der Post und Telegraphie im Weltverkehr .
    367 S. Ill J. Meidinger Berlin 1885, Nachdruck 1986 transpress VEB Verl. für Verkehrswesen.
  • von Seggern, Harm
    Die Entstehung des Postwesens in Mitteleuropa – eine» Kommunikationsrevolution?
    Francia 34.2 (2007) 195-216. DOI
  • Wagner, Andreas
    Bote und Brief
    Sprachliche Systeme der Informationsübermittlung im Spannungsfeld von Mündlichkeit und Schriftlichkeit.
    Tagungsband 127 S. Frankfurt am Main 2003: Lang.
2)
2. Chr 30,6-10
3)
(1. Kön 14,27.28; 2. Kön 10,25; 11,4-19; 2. Chr 12,10.11
4)
Est 3,13.15; 8,10.14
5)
Esther 3, 13
6)
Jer 51,31
7)
Herodot 8,98
8)
The Cambridge history of Iran. Cambridge 1985: Cambridge University Press Band 2 S. 607.
Fagan, Garrett G. (Hg)
New Perspectives on Ancient Warfare.
XIII, 372 S. Leiden 2010: Brill. Kapitel: All the King’s Horse: In Search of Achaemenid Persian Cavalry, S. 134–135
9)
Robert Beekes: Etymological Dictionary of Greek. 1. Auflage. Band 1: Α–Λ, Brill, Leiden, Boston 2010, ISBN 978-90-04-17420-7 (Band 10/1 der Leiden Indo-European Etymological Dictionary Series) Seite 9
Band 2: Μ–Ω στέλλω Seite 139
Diskutiert werden Ableitungen über das mykenische a-ke-ro aus dem Semitischen 𐡀𐡍‬𐡂𐡓𐡕‬𐡀‎ ’engirtā `Brief, Vertrag´, Akkadischen ܐܓܪܬܐ‎(ˀeggarṯā `Brief, Dokument´) letter, document”), dem Sanskrit अजिरा ajirā `schnell, beweglich´
10)
Herodot 6, 105–106
11)
Plutarch, Vom Ruhm der Athener 347 n. Chr., dessen Quelle war Herakleides Pontikos
12)
Veredarius 1885, S. 45
13)
Veredarius 1885, S. 45; Pausanias, Beschreibung Griechenlands 6.16.5
14)
Jacoby, Felix, “Philonides von Kreta (121)”, in: Die Fragmente der Griechischen Historiker Part I-III, General Editor: Felix Jacoby. Consulted online on 24 March 2021 <http://dx.doi.org/10.1163/1873-5363_boj_a121>
15)
Naturalis historia Band 2, Kap. 73
16)
Kolb, Anne, “Tabellarius”, in: Der Neue Pauly, Herausgegeben von: Hubert Cancik,, Helmuth Schneider (Antike), Manfred Landfester (Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte). Consulted online on 24 March 2021 <http://dx.doi.org/10.1163/1574-9347_dnp_e1127900> First published online: 2006
17)
Katalog des Reichspostmuseums. J. Springer, 1897, S. 111
18)
Fischer, P. D. (1879). Post und Telegraphie im Weltverkehr. Berlin: Dümmler S. 2
19)
Gerhard Altzenbach, Stecher: Theodor Holtmann, Kupferstich, Berlin, Museum für Kommunikation, Inv.-Nr. 4.2001.314
20)
K.F.W. Wander : Deutsches Sprichwörter-Lexicon 1, S. 442, Nr. 34
21)
K.F.W. Wander : Deutsches Sprichwörter-Lexicon 1, S. 442, Nr. 30
wiki/bote.txt · Zuletzt geändert: 2024/01/25 12:51 von norbert

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