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Landschaft
Die Welt besteht aus Landschaften und in Landschaften finden sich Orte wie eine Furt, ein Gipfel oder ein Pass, eine Höhle, eine Quelle. Solche besonderen Orte sind für Mensch und Tier nützlich als übergang oder Zuflucht; den Menschen galten sie oft als heilige Orte.
Landschaft ist der dem Menschen zugängliche Raum, begrenzt von seiner Vorstellung von Welt und von den Enden der Welt - dahinter wartet die Leere, im Dazwischen finden sich emotional aufgeladene Metaphern für die Landschaften der Phantasie, für Möglichkeiten und Nirgends-Orte.
Die gedachte Landschaft wird zur Karte mit neuen Merkmalen. Erst die geographisch gedachte Erde hat Pole, einen Äquator, Wendekreise, Breiten- und Längengrade, die man wandernd nicht in der Landschaft sehen kann. Den Raum mit der Zeit verbindend, lassen sie sich jedoch messen, etwa wenn die Sonne am Äquator senkrecht steht.
Wildnis ist Landschaft ohne Menschen, sie ist weder begrenzt noch gesichert, also ein Raum für die Phantasie, die dort Hoffnungen und Ungeheuer ansiedelt, während die Vernunft dies auf unbekannte Gefahren reduziert, jedenfalls ein Raum für Helden oder Abenteurer.
Eine Landschaft mit Menschen, die fremd sind, wird zur Fremde und die Ankömmlinge werden dort zu Fremden. Jenen ist sie vertraut, diesen ist sie Wildnis, zwischen beiden entsteht eine frontier.
Reisenden mit einem Sinn für und Zugang zur Wildnis und zur Fremde, die dort wiederholt unterwegs sind, erscheinen Ihresgleichen als suspekt wie etwa Hinterwäldler, Waldläufer, frontiersmen oder Heimatlose und Grenzgänger.
Landschaft und die Vorstellungen davon können erscheinen als:
- Freie Natur > unkultiviertes Land > Jedermannsrecht
- Gelobtes Land
- Horizont > Hinterm Horizont
- Labyrinth
- Landmarken
- (gähnende) Leere > Ginungagap > Chaos
- Neuland, lat. terra nova
- Ödland, lat. terra deserta
- Oikumene, von Menschen `bewohntes Land´
- Paradies
- Pufferzone
- Raum > Territorium > Staaten
- Unbewohntes Feld, lat. campi deserti inhabitati
- Unland
- Terra Australis
- Terra continens > Kontinente
- Terra deserta > wüstes Land, Ödland
- Wüstes Land < terra deserta
- Zone
- Zipfelpunkte
Nomaden sehen Landschaft anders als Sesshafte, aber beide respektieren Übergänge. Reisegötter, Übergangsriten und Verhaltensmuster entstehen daraus.
Literatur
Berges, Wilhelm
Land und Unland in der mittelalterlichen Welt
Göttingen 1972. In: Festschrift für Hermann Heimpel zum 70. Geburtstag am 19. September 1971. S. 399-439Greverus, I.M.
Der territoriale Mensch
Ein literaturanthropologischer Versuch zum Heimatphänomen
Frankfurt 1972.Günther, A.
Gebirge, Flüsse, Wüsten, Wälder: Grenzen oder Verbindungen
in: Comité International des Sciences Historiques, Rapports I,
Stuttgart 1985, S. 315-317Hellpach, Willy
Geopsyche
Die Menschenseele unter dem Einfluss von Wetter und Klima, Boden und Landschaft.
Stuttgart Enke 1950Jammer, Max
Das Problem des Raumes (Concepts of space, dt.)
Die Entwicklung der Raumtheorien.
Darmstadt 1980: Wissenschaftliche Buchgesellschaft
Mit einem Vorwort von Albert EinsteinMarchal, Guy P.
Grenzen und Raumvorstellungen (11.-20.Jh.)
Zürich 1996Raymond, Petra
Von der Landschaft im Kopf zur Landschaft aus Sprache
die Romantisierung der Alpen in den Reiseschilderungen und die Literarisierung des Gebirges in der Erzählprosa der Goethezeit.
Tübingen 1993: Max Niemayer.Kai Ruffing
Landschaft und die Grenzen der Welt
in: M. Kasper, M. Korenjak, R. Rollinger, A. Rudigier (Hrsg.), Entdeckungen der Landschaft. Raum und Kultur in Geschichte und Gegenwart, Wien - Köln - Weimar 2017 (Montafoner Gipfeltreffen Band 2), 107-118.