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Wandermönch

Wandermönche (engl. itinerant monk, franz. moines itinérants, lat. peregrinatio religiosa) im weitesten Sinne als spirituelle Sucher sind oft Teil von Religionen, berühren und vermischen sich jedoch mit Asketen, Bettelmönchen, Eremiten, Scholaren, Vaganten, Wandercharismatikern, Wanderphilosophen, Wanderpoeten, sofern dabei das Ziel der spirituellen Transformation im Vordergrund steht.

Die indischen Wandermönche

wandering alone like the rhinoceros
Swami Vivekananda

Die ältesten erkennbaren Wurzeln führen zu den Religionen im indo-iranischen Raum. Ein Wandermönch zu sein kam für jeden in Betracht, denn das hinduistische Ideal kennt vier Lebenssstufen:

  1. Student im Alter von 8 bis 20
  2. Familienvater
  3. Waldeinsiedler (vânapattha) allein oder mit Frau
  4. bettelnder Wandermönch mit asketischem Ideal (paribbâjaka, parivrajaka)

Das Wandergebot untersagte dem Bettelmönch (bhikkhu) über Nacht in einem Dorf zu bleiben, denn es sollten keine Bindungen aufgebaut werden. Der »Wanderstabträger« Dandin (sanskrit `Stabträger´) sollte sich von Almosen ernähren und klopfte an alle Türen, dort galt er als Atit, wörtlich `der unerwartete Gast´. Für sein Reisegepaeck galten sehr genaue, minimalistische Regeln, diese unterschieden sich im Einzelnen für

326 BC begegnete Alexander der Große im Punjab einer Gruppen von Gymnosophisten γυμνοσοφισταί ‚nackte Weise, nackte Narren‘ (altgriechisch γυμνός gymnós ‚nackt‘ und σοφία sophía ‚Weisheit‘) mit deren Führer Dandamis (dandin »Stabträger«). Einer von ihnen, Kalanos, begleitete Alexander mehrere Jahre auf seinem Zug, bis er sich selbst verbrannte. Die Ideen dieser Gymnosophisten verbreiteten sich nachfolgend im griechischen Raum und wurden bis ins europäische, arabische und persische Mittelalter verbreitet und diskutiert.

Buddhistische Wandermönche

Die späteren buddhistischen Mönche in Japan (kanjin hijiri) sollten wandern und betteln (yugyö-sei, kaikokusei), als Wanderziele galten heilige Berge. Magie gehörte zu ihren wesentlichen Aufgaben; auch ihr Äußeres wies schamanistische Züge auf. Ihre Kleidung musste aus Papier oder (Birken-)Rinde bestehen, aus Moos oder Tierfellen - Seide und Baumwolle waren verboten. Manche gingen barfuss und ohne Hut. Wilde Tiere galten als Boten der Götter, daher saß auf dem Stab des hijiri ein Tiergeweih, außerdem trugen hijiri eine metallene Gabel (eburi) und eine Metalltrommel. Der berühmte Wandermönch Ippen (1239-1289) galt als `Reiseheiliger´ (Travelling Saint) 1).

Wandermönche im Mittelmeerraum

Im antiken jüdischen Raum scheint es bereits in vorchristlicher zeit »Wandercharismatiker« gegeben zu haben und in der griechischen Kultur entwarfen die Kyniker mit der bactroperita einen philosophisch geprägten Lebensreisestil mit mönchsähnlichem Ethos.

Per pedes apostolorum

Im Christentum stehen Wandermönche ursprünglich in der Tradition der Aussendung der Apostel (`Gesandte´) durch Christus, so dass bis zum Konzil von Nicäa 323 n. Chr. christliche Gemeinden in Asien, Afrika und Europa bestanden, von Äthiopien bis Indien, vom Schwarzen Meer bis Britannien 2).

Für die frühesten urchristlichen Wandermönche findet sich der Begriff Sarakwte (sarakôte, korrumpiert sarabaitae) ab dem 4. Jahrhundert in koptischen und später ägyptischen Texten; sie werden griechisch als παράσιτος parásitos `Tischgenosse, Schmarotzer´ (engl. freeloader) bezeichnet, arabisch als rahhâlin `Wanderer´, lateinisch als gyrovagus. Als agapète bezeichnet lebten die Kleriker mit einer Frau (Agapetae) zusammen 3).

Die für das Mittelalter maßgebliche regula benedictini bewertete um 540 n. Chr. die Mönchsformen jedoch neu und setzte zum einen die stabilitas loci an erste Stelle und setzte zum anderen die Lebensformen als Einzelner hintan:

Mönchsform Lebensweise Bewertung
Anachoreten Mönche als Einsiedler im Wald sehr gut & sehr schwer
Koinobiten Mönche im Kloster unter Regel und Abt gut
Sarabaiten Mönche außerhalb des Klosters schlecht
Gyrovagen Wandermönche sehr schlecht

Anders entwickelten sich die mobilen Formen der Pilger und Kleriker im Raum des orthodoxen Christentums, siehe auch Stranničestvo:

Die irischen Wandermönche

Unabhängig davon zogen im Nordwesten Europas die irischen Wandermönche mit ihrem Stab ab dem 6. Jahrhundert missionierend durch Europa, der peregrinatio propter deum folgend. Columban von Luxeuil verließ als erster irischer Mönch mit einigen Begleitern die Britischen Inseln mit dem Ziel, auf dem Kontinent den christlichen Glauben zu verbreiten. Nach seinem Tod 615 vermachte er seinen Krummstab dem Gallus († 645), wie er ein irischer Wandermönch, der das Kloster Sankt Gallen gründete. Mit Columban, Gallus und Eustatius begann die »iroschottische Mission«, die im 7. Jahrhundert im fränkischen Raum zu rund 300 Klostergründungen führte. Anders als Asketen und Eremiten lebten sie ihren Glauben aktiv, wandernd und missionierend. Zugeschrieben werden ihnen die Loricae (lat. Brustpanzer), frühmittelalterliche Schutzgebete, die (auch) als Reisesegen verwendet wurden. Aus heutiger Sicht würde man diesen Mönchen Neugier, Wandertrieb und Abenteuerlust unterstellen. Die peregrinatio galt ihnen als erstrebenswert und vorbildhaft. Klöster wurden in ländlichen Regionen gegründet, so dass sich der Aufbau einer praktisch autarken Gemeinschaft mit der notwendigen Einfachheit der Lebensführung verband. Spätestens zu Beginn der Neuzeit galt die Lebensführung nicht mehr vorteilhaft und der Wandermönch Irides suchte bettelnd seine Vorteile.

Literatur

1)
Kleine, Christoph 1962-.
Hermits and Ascetics in Ancient Japan: The Concept of Hijiri Reconsidered
Japanese Religions, vol. 22.2, 1997, pp. 1-46.
2)
Adolf von Harnack
Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten
J.C. Hinrichs: Leipzig 1906
3)
Crum, W. E.
A Coptic dictionary. Oxford 1939: Clarendon Press. S. 316 (sa), 354–55 (sarakwte), 494a. 9
Vycichl, Werner, Rodolphe Kasser Dictionnaire étymologique de la langue copte. Leuven 1983: Peeters. S. 196
W. Westendorf
Koptisches Handwörterbuch
Heidelberg: Carl Winter 1965, 1977), S. 194
Cerny, Joseph
Coptic etymological dictionary
Cambridge 1976: Cambridge University Press