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wiki:1828-berndt-gepaeck-s-10-15

1828-Berndt-Gepaeck-S-10-15

  • Berndt, Johann Christian Gottlieb
    Wegweiser durch das Sudeten-Gebirge.
    Breslau 1828: Grüson u. Comp. VIII, 712 S., 1 Falttafel. Online.
    Darin die Vorbereitung zur Reise (Zeit, Plan, Dauer, Gesellschaft, Reiseart, Reisegepäck, Reisekleidung) S. 3-15 und die Organisation der Reise (Tagesordnung, Marschart, Führer, Benehmen, Reise ins hohe Gebirge, Reisenoth) S. 15-29, hier ein Auszug (siehe auch Reisekleidung 1828:

Das Reisegepäck braucht füglich nur für einen Fußwanderer angegeben zu werden. Es besteht

  1. in einem wasserdichten Tornister, am besten von behaartem Leder (Kalbfell oder Seehund), allenfalls zu noch großerer Dichtigkeit mit Wachsleinwand gefüttert;
  2. in einem Mantel, lieber von Tuch als von Wachstafft, weil dieser nur vor dem Regen, nicht aber auch vor der Kälte schützt. Er ist auf dem Stroh- und Heulager die beste Decke, indem man sich dergestalt einhüllt, daß man die Füße in die Ärmel steckt und mit dem Untertheile den Oberleib bebeckt;
  3. an mitzunehmender Kleidung: 2 Hemden, 2 Paar Socken oder Fußlappen, 2 Schnupftüchern, 1 Paar Schuhen und allenfalls einer leichten Hose;
  4. an Mitteln zur Beförderung des Reisesgenusses.
    1. Vor allem eine auf Leinwand gezogene Karte und ein Reisebuch.
    2. Ein Fernrohr; wenigstens irgend eine Bewaffnung des Auges.
    3. Ein Landschafter: So nennt der Verf. ein Glas, welches die Umgebungen verkleinert darstellt. Dazu dient sowohl jedes Brillenglas, als auch jeder Hohlspiegel, und nicht weniger ein gewöhnliches Brennglas, das auf einer Seite mit schwarzem Tuche oder Sammet fest anschließend bedeckt ist. Jenes bietet dem durchblickenden Auge, diese abspiegelnd die schönsten belebten Landschaftsgemälde dar, und gewähren einen noch zu wenig verschafften Genuß.
    4. Ein Kompaß, ohne den man keine Ausflüge in unbekanntere Gegenden des höhern Gebirges wagen darf. Bis jetzt unentdeckte Ursachen veranlassen zwar, daß die Magnetnadel im Riesengebirge sehr abweicht; indeß ist diese Abweichung für den Reisenden nicht bedeutend. Wer keinen bessern Kompaß besitzt, wird auch mit einem gewöhnlichen Nürnberger fortkommen. Ein solcher kostet in Breslau 10 sgr., ist in Holz gefaßt und dient zugleich zur Sonnenuhr. Jeder andere Kompaß muß durch ein schickliches Futteral vor Beschädigung des Glases gesichert seyn.
    5. Schreibematerialien (Papier, Federn, Federmesser), am besten in einer Mappe aufbewahrt, die genau in den Tornister paßt. Ein Dintenstecher darf nicht fehlen.
    6. Eine dauerhafte, gut verschließbare Brieftasche mit Stift von Schiefer, Zinn oder Silber.
    7. Für den Botaniker: eine Pflanzentrommel; ein eiserner Spaten, am besten so eingerichtet, daß er an den Stock geschraubt werden kann;
      einige Lagen Löschpapier zwischen 2 Brettern, die durch Riemen zusammengehalten werden;
      Günther's enumeratio florae silesiacae,
      Uechtritz's botanische Reise ins Gesenke,
      Auszüge, die man sich aus Weigel's Geographie von Schlesien gemacht hat,
      und die Notizen aus Mosch's Heilquellen Schlesiens.
      Außerdem muß er irgendwo einen Lagerort, am besten bei einem befreundeten Apotheker, aufsuchen, wo er die auf den Ausflügen gesammelten Schätze niederlegen kann.
    8. Für den Mineralogen:
      eine lederne Tasche mit dem nöthigen Papiere zum Einwickeln des Gefundenen;
      einen Spitzhammer, der an den Stock angeschraubt werden kann;
      vorher gemachte Auszüge aus Kapf's, Buch's, Charpentier's und Raumer's hierher gehörigen Schriften.
    9. Für den Entomologen:
      eine Fangscheere;
      ein Netz zum Fangen der Wasserinsekten, an den Stock anschraubbar;
      leichte hölzerne Kasten mit Schiebdeckeln versehen, mit Kork oder Filz ausgefüttert und so abgepaßt, daß sie genau die Breite und Länge des Tornisters ausfüllend festsitzen;
      eine Glaskrause mit Weingeist und mit einem Aufhänger versehen;
      ein Nadelkissen mit einigen 1000 Insekten-Nadeln bespickt und mit einem Anhänger versehen.
    10. Für den Zeichner:
      eine starke unbiegsame Mappe, die genau in den Tornister paßt, das nöthige Papier und in angebrachten Täschchen Stifte und dgl. enthält.
    11. Für den Dichter endlich reicht die Brieftasche hin, wenn der Geist über ihn kommt, der durch die Natur selbst, nicht durch poetisirende Handbücher aufgerufen wird.
  5. Andere Bedürfnisse:
    1. Vor Allem Geld, für den Tag zur Vorsorge 1 Rtlr., den indeß ein mäßiger Fußgänger bei weitem nicht braucht.
    2. Ein Paß oder anderes ausweisendes Dokument ist kein zwar durchaus nöthiges Bedürfniß; denn im Preußischen fragt Niemand danach und auch im Oestreichischen ist man in den Gebirgsorten keinesweges so streng als gewöhnlich geglaubt wird. Der Sudetenwanderer trägt sein Zeugniß der Unverdächtigkeit an sich, und so läßt man ihn überall unangefochten seines Weges ziehen. Jedoch thut man besser, sich mit irgend einem schriftlichen Ausweise zu versehen, um möglichen Unannehmlichkeiten (z. B. einer Landvisitation) zu entgehen.
    3. Eine Taschenuhr an einer Schnur, Kette oder einem Bande festgehalten.
    4. Feuerzeug und Licht, zum Besuchen der Höhlen und Burgverließe. Die beste Leuchte giebt 4-6 fach mit der Hand zusammengedrehter Wachsstoff, welcher nicht so leicht durch einen Windzug verlöscht wird. Noch besser ist freilich ein Windlicht, das bei jedem Wachszieher zu haben ist.
    5. Seife zum Waschen.
    6. Ein gutes Taschenmesser.
    7. Nåhnadel und Zwirn, um etwas Zerrissenes alsbald wieder herstellen zu können.
    8. Kleider- und Schuhbürsten nebst einer blechernen Büchse mit Fettwichse.
    9. Ein Trinkbecher von Leder oder Resina, fals man es nicht wie Diogenes machen will.
    10. Barbierzeug, damit man nicht in die Hände mancher Dorfbarbiere fallen darf.
    11. Für den Tabakraucher:
      eine standhafte halblange Pfeife mit biegsamer Spitze und hölzernem Kopfe;
      ein Vorrath von Tabak theils im Beutel, am besten einer gewöhnlichen Blase, welchem der Räumer nicht fehlen darf, theils im Tornister aufs bewahrt. Im Oestreichischen, wo der Tabak theuer und schlecht ist, wird man vorsichtiglich kein unangebrochenes Packet bei sich führen, um allen etwanigen Unannehmlichkeiten bei den Einbruchsämtern (Gränzzollstätten) und mit den Cordonisten (Gränzsoldaten) zu entgehen.
    12. Endlich, wenn man wil, ein Pistol, mit dem nöthigen Schießbedarf, um das Echo hervorzurufen. Auf den Kämmen wehrt Niemand das Schießen; in den Thalgegenden wird man sich erst erkundigen müssen, ob es erlaubt sei.
  6. Reiseapotheke:
    1. Ein Stück Talg, gleichviel von welchem Thiere.
    2. Zwei Paar Schweinsblasen.
    3. Einige Faden Wolle.
    4. Ein Stück engl. Pflaster.
    5. Ein Fläschchen mit kölnischem Wasser oder reinem Kornbranntweine.
    6. Zucker.
    7. Weinessig in einer Reiseflasche, die umgehängt werden kann.
    8. Limonadenpulver und Pfeffermünzküchlein, wenn man will.
  7. Lebensmittel belasten den Wanderer ohne Noth, da es in dem stark bevölkerten Gebirge an Wirthshäusern nicht fehlt.
    1. Höchstens mag man sich eine Wurst oder ein Stück Fleisch mitnehmen, wenn man im hohen Gebirge unbevölkerte Nebenpartien besuchen will.
    2. Immer aber wird man ein Stück Brot bei sich tragen.
    3. Kaffee und Zucker findet man bei jedem Dorfkrämer. Freilich Leckerbissen sind nicht überall zu haben; indeß wer dieser nicht entbehren kann, macht auch gewiß keine Fußreise.

Alle angeführte Sachen werden also verpackt.

  • Der Mantel wird nach preußischer Soldatenart zusammengelegt, über die rechte Schulter und den Tornister gehängt, und zwar den Einschlag unterhalb gewendet. Er wird im Nachtquartiere, wo er als bequemer Hausrock und als Deckbett dient, und bei großer Kälte auf dem Wege aufgerollt und angezogen. Beim Gehen werden die beiden Vorderzipfel zurückgeschlagen, damit die Füße frei ausschreiten können. Dagegen bleibt er auf der Schulter in Regen und Sturm. Bei stürmischer Witterung nämlich fängt der angezogene Mantel den Wind auf und macht das Geben höchst beschwerlich, an steilen Höhen und an schroffen Abgründen sogar gefährlich. Im Regen saugt er das Wasser ein, wird dadurch unerträglich schwer und läßt am Ende doch die Nässe durch, so daß der arme Reisende keinen trockenen Faden am Leibe behält. Bleibt er aber zusammengewickelt auf der Schulter, so wird zwar die Außenseite naß, die Nässe dringt aber, wenn der Mantel nur fest gewickelt ist, fast gar nicht weiter ein, und der innere Kern, der Oberleib mit den Ärmeln, bleibt ganz trocken. So hat der Reisende den Vortheil, wenn er von Regen triefend in die Herberge kommt, zu trockener Wäsche, die der Tornister bewahrt, einen trockenen Rock anziehen zu können; eine Wohlthat, die dem armen Triefenden unschätzbar ist. Will man den Tornister erleichtern, so kann man auch eine Hose mit in den Mantel einrollen.
  • In den Tornister kommt alles das, was man nicht immer zur Hand haben darf: Kleider, Wäsche und alle übrige Kleinigkeiten. Daß es eine Kunst sey, einen Tornister recht zu packen, wird der erste Versuch bald erfahren lassen. Hauptsache ist, daß Alles in ihm festliege und kein Räumchen unausgefüllt bleibe. Daher wird das ganze Gepäck in einzelne der Länge und Breite des Tornisters entsprechende Pacete vertheilt, diese in Papier eingeschlagen und mit Bindfaden geschnürt, das Zerbrechliche besonders eingehüllt und in der Mitte der Packete angebracht, und das schwerste dieser Pacete auf den Grund des Tornisters gelegt 1). Die Mappe mit den Schreibe- oder Zeichnenmaterialien wird an den Rücken des Tornisters aufgestellt, wo sie leicht herausgezogen werden kann. Bürsten und Talg finden den besten Platz in den äußeren Seitentaschen desselben.
  • Der Tornister muß auf beiden Schultern getragen werden, und dicht anliegen. Der Brustriemen ist als höchst schädlich zu verbannen. Die Schwere des Tornisters darf 12 Pfund nicht übersteigen, wenn nicht aus einer Lustreise eine Lastträgerei werden soll.
  • Die anderen Kleinigkeiten werden in den Taschen der Kleider untergebracht.
    • Die Brieftasche mit dem Passe steckt am sichersten in der innern Seitentasche der Weste.
    • In den äußeren Westentaschen finden Uhr, Feuerzeug und Taschenmesser Raum.
    • Die Hosentaschen nehmen den Kompaß und das Ausgebegeld, allenfalls auch den Tabaksbeutel auf.
    • Die Seitentasche des Rockes bleibt dem Reisebuche und der Charte; denn da ist beides stets zur Hand und doch mittels des drüber liegenden Mantels vor dem Regen gesichert.
    • Die Hintertaschen des Rockes werden mit dem Schnupftuche, einem Stücke Brot, Pfeife und allenfalls dem Tabaksbeutel beschwert, also mit Dingen, welche keinen Schaden leiden, wenn man sich auch auf sie setzt. Vollgepfropfte Hintertaschen sind übrigens zu vermeiden, denn sie schlagen beim Gehen in die Kniegelenke.
    • Das Reisegeld wird vertheilt aufbewahrt, damit man es nie ganz verlieren kann. Ein Theil wird auf den Boden des Tornisters, ein anderer in die innere Seitentasche der Weste fest gebunden, der zum Ausgeben für den Tag bestimmte allein in die Hosentasche gesteckt.
  • So viel möglich, vermeide man alles schlotternde Anhängsel.
    • Die mit Weinessig gefüllte Reiseflasche hångt man deshalb über die rechte Schulter und so, daß sie grade unter die Enden des Mantels zu liegen kommt, indem sie so von diesem fest an die linke Hüfte gedrückt und festgehalten wird.
    • Des Botanikers Pflanzentrommel wird auf dem Rücken unterhalb des Tornisters getragen, den Riemen über die rechte Schulter, so daß sie nicht nur fest liegt, sondern auch bequem zur linken Seite geschoben und geöffnet werden kann. Sie enthält den Spaten.
    • Der Entomolog muß sein Jagdgeräth an die Knöpfe seines Rockes hängen, um es stets zur Hand zu haben.
    • Der Mineralog behält den Spitzhammer auf dem Wanderstabe.
    • Wer eine Pistole mitnimmt, wird sie zur Vermeidung aller Unannehmlichkeiten dem Tornister übergeben.
1)
Ein solches Packet bildet z. B. die Wäsche, ein anderes die Hose, ein drittes die Schuhe oder Stiefeln
wiki/1828-berndt-gepaeck-s-10-15.txt · Zuletzt geändert: 2023/09/10 10:57 von norbert

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