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wiki:wandermoench

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Wandermönch

Wandermönche (engl. itinerant monk, franz. moines itinérants, lat. peregrinatio religiosa) im weitesten Sinne als spirituelle Sucher sind oft Teil von Religionen, berühren und vermischen sich jedoch mit Asketen, Bettelmönchen, Eremiten, Scholaren, Vaganten, Wandercharismatikern, Wanderphilosophen, Wanderpoeten, sofern dabei das Ziel der spirituellen Transformation im Vordergrund steht.

Die indischen Wandermönche

wandering alone like the rhinoceros
Swami Vivekananda

Die ältesten erkennbaren Wurzeln führen zu den Religionen im indo-iranischen Raum. Ein Wandermönch zu sein kam für jeden in Betracht, denn das hinduistische Ideal kennt vier Lebenssstufen:

  • Student im Alter von 8 bis 20
  • Familienvater
  • Waldeinsiedler (vânapattha) allein oder mit Frau
  • bettelnder Wandermönch mit asketischem Ideal (paribbâjaka, parivrajaka)

Das Wandergebot untersagte dem Bettelmönch (bhikkhu) über Nacht in einem Dorf zu bleiben, denn es sollten keine Bindungen aufgebaut werden. Der »Wanderstabträger« Dandin (sanskrit `Stabträger´) sollte sich von Almosen ernähren und klopfte an alle Türen, dort galt er als Atit, wörtlich `der unerwartete Gast´. Für sein Reisegepaeck galten sehr genaue, minimalistische Regeln, diese unterschieden sich im Einzelnen für

  • Veda-Schüler im 3. Jahrtausend vor Christus
  • Brahmanische Bettel-Asketen dandamānava
  • Jain-Novizen
  • Jain-Mönche
  • Buddhistische Mönche
  • Shaivitische Wandermönche Bild (Hinduismus)

Buddhistische Wandermönche

Die späteren buddhistischen Mönche in Japan (kanjin hijiri) sollten wandern und betteln (yugyö-sei, kaikokusei), als Wanderziele galen heilige Berge. Magie gehörte zu ihren wesentlichen Aufgaben; auch ihr Äußeres wies schamanistische Züge auf. Ihre Kleidung musste aus Papier oder (Birken-)Rinde bestehen, aus Moos oder Tierfellen - Seide und Baumwolle waren verboten. Manche gingen barfuss und ohne Hut. Wilde Tiere galten als Boten der Götter, daher saß auf dem Stab des hijiri ein Tiergeweih, außerdem trugen hijiri eine metallene Gabel (eburi) und eine Metalltrommel. Der berühmte Wandermönch Ippen (1239-1289) galt als `Reiseheiliger´ (Travelling Saint) 1).

  • Ramers, Peter 1954-
    Das Leben der frühbuddhistischen Wandermönche
    Durch organisierte Askese zum inneren Frieden.
    Weltfremdheit 2015, pp. 29-48.

Wandermönche im Mittelmeerraum

Im antiken jüdischen Raum scheint es bereits in vorchristlicher zeit »Wandercharismatiker« gegeben zu haben und in der griechischen Kultur entwarfen die Kyniker mit der bactroperita einen philosophisch geprägten Lebensreisestil mit mönchsähnlichem Ethos.

  • Ebner, Martin 1956-
    Jüngergemeinden und Wandercharismatiker
    Katholische Glaubensfibel 2004, pp. 111-114
  • Öhler, Markus 1967-
    Ausbildung von Strukturen: Die Zwölf, Wandercharismatiker, Jerusalemer Urgemeide Und Apostel
    Jesus Handbuch 2017, pp. 526-533.
  • Theißen, Gerd 1943-
    Kynische und urchristliche Wandercharismatiker
    Zu W. Stegemann: „Hinterm Horizont geht's weiter“.
    Von Jesus zur urchristlichen Zeichenwelt 2011, pp. 101-116.

Per pedes apostolorum

Im Christentum stehen Wandermönche ursprünglich in der Tradition der Aussendung der Apostel (`Gesandte´) durch Christus, so dass bis zum Konzil von Nicäa 323 n. Chr. christliche Gemeinden in Asien, Afrika und Europa bestanden, von Äthiopien bis Indien, vom Schwarzen Meer bis Britannien 2).

Für die frühesten urchristlichen Wandermönche findet sich der Begriff Sarakwte (sarakôte, korrumpiert sarabaitae) ab dem 4. Jahrhundert in koptischen und später ägyptischen Texten; sie werden griechisch als παράσιτος parásitos `Tischgenosse, Schmarotzer´ (engl. freeloader) bezeichnet, arabisch als rahhâlin `Wanderer´, lateinisch als gyrovagus. Als agapète bezeichnet lebten die Kleriker mit einer Frau (Agapetae) zusammen 3).

  • Monica J. Blanchard
    Sarabaitae and Remnuoth: Coptic Considerations
    S. 49-60 in: Goehring, James E., Janet Timbie, D. W. Johnson. 2008. The world of early Egyptian Christianity: language, literature, and social context : essays in honor of David W. Johnson.
  • Daniel Caner
    Wandering, Begging Monks.
    Spiritual Authority and the Promotion of Monasticism in Late Antiquity
    University of California Press, Berkeley CA 2002, ISBN 0-520-23324-7.
    Eine umfassende Untersuchung über die dem apostolischen Ideal folgenden Wandermönche insbesondere des 4. und 5. Jahrhunderts.
  • Dietz, Maribel 1966-
    Wandering Monks, Virgins, and Pilgrims
    Ascetic Travel in the Mediterranean World, A.D. 300 - 800.
    University Park, Pa: Pennsylvania State University Press, 2005.
    Mit einem Kapitel über die frühesten iberischen Pilger Egeria, Orosius, Bachiarius, und einem Schwerpunkt auf der iberischen Halbinsel und in der frühen islamischen Periode.
  • Koetting, Bernhard
    Peregrinatio religiosa
    Wallfahrten in der Antike und das Pilgerwesen in der alten Kirche.
    Forschungen zur Volkskunde, H. 33/34/35.
    XXVII, 472 S., Münster 1950/1980 2. durchgesehene Auflage: Antiquariat Th. Stenderhoff.
  • Jean Leclerq
    Mönchtum und Peregrinatio im Frühmittelalter
    In: Römische Quartalschrift für Christliche Altertumskunde und Kirchengeschichte. 55 (1960) 212–225

Die für das Mittelalter maßgebliche regula benedictini bewertete um 540 n. Chr. die Mönchsformen jedoch neu und setzte die stabilitas loci an erste Stelle:

Mönchsform Lebensweise Bewertung
Anachoreten Mönche als Einsiedler im Wald sehr gut & sehr schwer
Koinobiten Mönche im Kloster unter Regel und Abt gut
Sarabaiten Mönche außerhalb des Klosters schlecht
Gyrovagen Wandermönche sehr schlecht

Anders entwickelten sich die mobilen Formen der Pilger und Kleriker im Raum des orthodoxen Christentums, siehe auch Stranničestvo:

  • Garipzanov, Ildar 1966-
    Wandering Clerics and Mixed Rituals in the Early Christian North, C. 1000-c. 1150
    The Journal of Ecclesiastical History, vol. 63.1, 2012, pp. 1-17.
    Wandernde Kleriker zwischen Skandinavien, Rus und Armenien.
  • Evdokimov, Michel 1930-
    Pèlerins Russes Et Vagabonds Mystiques
    Paris: Éd. du Cerf, 1987

Die irischen Wandermönche

Unabhängig davon zogen im Nordwesten Europas die irischen Wandermönche mit ihrem Stab ab dem 6. Jahrhundert missionierend durch Europa, der peregrinatio propter deum folgend. Columban von Luxeuil verließ als erster irischer Mönch mit einigen Begleitern die Britischen Inseln mit dem Ziel, auf dem Kontinent den christlichen Glauben zu verbreiten. Nach seinem Tod 615 vermachte er seinen Krummstab dem Gallus († 645), wie er ein irischer Wandermönch, der das Kloster Sankt Gallen gründete. Mit Columban, Gallus und Eustatius begann die »iroschottische Mission«, die im 7. Jahrhundert im fränkischen Raum zu rund 300 Klostergründungen führte. Anders als Asketen und Eremiten lebten sie ihren Glauben aktiv, wandernd und missionierend. Aus heutiger Sicht würde man ihnen Neugier, Wandertrieb und Abenteuerlust unterstellen. Die peregrinatio galt ihnen als erstrebenswert und vorbildhaft. Klöster wurden in ländlichen Regionen gegründet, so dass sich der Aufbau einer praktisch autarken Gemeinschaft mit der notwendigen Einfachheit der Lebensführung verband. Spätestens zu Beginn der Neuzeit galt die Lebensführung nicht mehr vorteilhaft und der Wandermönch Irides suchte bettelnd seine Vorteile.

  • Arnold Angenendt
    Die irische Peregrinatio und ihre Auswirkungen auf dem Kontinent vor dem Jahr 800
    In: Heinz Löwe (Hrsg.): Die Iren und Europa im früheren Mittelalter Band 1. Klett-Cotta, Stuttgart 1982, ISBN 3-12-915470-1, S. 52–79.
  • Thomas M. Charles-Edwards
    The Social Background to Irish Peregrinatio
    In: David Greene, Brian Ó Cuív (Hg.): Myles Dillon Memorial Volume
    Celtica Bd. 11, ISSN 0069-1399, The Dublin Institute for Advanced Studies, Dublin 1976, S. 43–59

Literatur

  • Arnold Angenendt
    Monachi peregrini
    Studien zu Pirmin und den monastischen Vorstellungen des frühen Mittelalters
    (= Münstersche Mittelalter-Schriften 6) Fink, München 1972, ISBN 3-7705-0605-7 (Zugleich: Münster, Universität, Dissertation, 1969).
  • ders.
    Peregrinatio
    In: Lexikon des Mittelalters. Band 6: Lukasbilder bis Plantagenêt. Artemis & Winkler, München 1993, ISBN 3-7608-8906-9, Sp. 1882–1883.
  • Kuster, Niklaus 1962-.
    Wanderradikale und heimatlose Mönche:
    Wie eine bewegte Lebensform immer wieder sesshaft wird.
    Edith-Stein-Jahrbuch, vol. 9, 2003, pp. 46-81.
  • Kuhlmann, Helga
    Reisen. Fährten für eine Theologie unterwegs
    Münster Lit 2003 Interdisziplinäre Paderborner Untersuchungen zur Theologie, Bd. 1
  • Larsson, S.; af Edholm, K. (eds.)
    Songs on the Road.
    Wandering Religious Poets in India, Tibet, and Japan.
    Stockholm 2021: Stockholm University Press. DOI: https://doi.org/10.16993/bbi
  • Jacobsen, Knut A.
    Pilgrimage in Hindu Tradition
    Salvific Space.
    London 2013: Routledge.
  • Olivelle, Patrick
    On the Road
    The Religious Significance of Walking.
    In: Byrski, M. K. & Nowakowska, M. & Wozniak, J. & Jurewicz, J. (eds.). Theatrum Mirabiliorum Indiae Orientalis: A Volume to Celebrate the 70th Birthday of Professor Maria K. Byrski. Warzawa 2007: Dom Wydawniczy Elipsa, 173–187.
  • Peterson, Indira V.
    Lives of the Wandering Singers
    Pilgrimage and Poetry in Tamil Shaivite Hagiography.
    In: History of Religions 22.4 (1983) 338–360
1)
Kleine, Christoph 1962-.
Hermits and Ascetics in Ancient Japan: The Concept of Hijiri Reconsidered
Japanese Religions, vol. 22.2, 1997, pp. 1-46.
2)
Adolf von Harnack
Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei Jahrhunderten
J.C. Hinrichs: Leipzig 1906
3)
Crum, W. E.
A Coptic dictionary. Oxford 1939: Clarendon Press. S. 316 (sa), 354–55 (sarakwte), 494a. 9
Vycichl, Werner, Rodolphe Kasser Dictionnaire étymologique de la langue copte. Leuven 1983: Peeters. S. 196
W. Westendorf
Koptisches Handwörterbuch
Heidelberg: Carl Winter 1965, 1977), S. 194
Cerny, Joseph
Coptic etymological dictionary
Cambridge 1976: Cambridge University Press
wiki/wandermoench.1631366142.txt.gz · Zuletzt geändert: 2021/09/11 13:15 von norbert

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