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wiki:verirren

Verirren

Cogito ubi sum.
Ich weiß, wo ich bin.

Man weiß immer, wo man ist - das Hier und Jetzt ist immer sicher. Ob man dort sein will, ist eine andere Frage.

Wenn man sich »verfranzt« hat, wird Orientierung zum Versuch herauszufinden, woher man kommt und wohin man will, also drei sichere Punkte zu erfassen, die eine klare Linie ergeben. Orientierung ist damit der erste Schritt der Wegfindung im Zwischenraum und in der Wildnis nach Merkmalen (Landmarken), Spuren und Wegen in der Landschaft, im Gelände mit daraus resultierender Routenplanung - alles zusammen bezeichnet man als Navigation.

Voraussetzung dafür ist eine »kognitive Karte«, also eine Vorstellung der Umgebung, ein geistiges Abbild der Pfade, Hügel, Wälder, Bäche, Bauwerke, deren räumliches Verhältnis zueinander. Die Fähigkeit dazu entwickeln Menschen gemeinhin erst ab etwa acht Jahren. Verirren kann man sich auch in einer vertrauten Umgebung, denn ein Wald sieht nachts anders aus und Nebel nimmt alle Orientierungspunkte. Ursachen des Verirrens sind

  1. der Mangel an Aufmerksamkeit, denn sonst könnte man ja den zurückgelegten Weg erinnern;
  2. das Bedürfnis, eine »Abkürzung« zu nehmen, also Pfade und Wege zu verlassen;
  3. die trügerische Annahme, den Weg zu kennen;
  4. die Abnahme rationaler Entscheidungen;
  5. die Zunahme von irrationalem Aktionismus, also Weiterlaufen bis zur Erschöpfung.

Wanderer, die sich alleine verirren, werden fast zehnmal häufiger tot aufgefunden als verirrte Gruppen. Dass eine gewisse Vorbereitung hilfreich sein kann zeigt sich schon in der griechischen Mythologie als Ariadne dem Theseus ein Wollknäuel mitgab, damit er am »Faden der Ariadne« den Weg aus dem Labyrinth herausfinden konnte. Die Brotkrümelspur von Hänsel und Gretel zeigt, dass die Gefahr den Kindern zwar bewusst war, allerdings war die Umsetzung weniger erfolgreich. Wenn Vertrautes fremd erscheint und Wahrnehmungen täuschen, ist der Irrwisch am Werk und auch das Licht der Hoffnung wird dann zum Irrlicht 1).

Literatur

  • Kathrin Passig, Aleks Scholz
    Verirren. Eine Anleitung für Anfänger und Fortgeschrittene
    268 S. Berlin 2010: Rowohlt
  • Grassl, Herbert (2002)
    Irrwege. Orientierungsprobleme im antiken Raum.
    In: Eckart Olshausen und Holger Sonnabend (Hg.): Zu Wasser und zu Land - Verkehrswege in der antiken Welt. Stuttgarter Kolloquium zur Historischen Geographie des Altertums, 83-92. Stuttgart: Steiner (Geographica historica, 17).

siehe *Orientierung

1)
lat. Ignis fatuus, frz. le feu belengier, engl. Will-o'-the-wisp
wiki/verirren.txt · Zuletzt geändert: 2022/07/27 15:52 von norbert

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