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Herberge

Eine Einrichtung, die den Bedürftigen Schutz verspricht. Bedürftig kann sein, wer heimatlos ist oder reist, alt oder krank. Solcher Schutz gewährt Ruhe, Erholung, Entspannung, indem schlechtes Wetter ebenso abgewehrt wird wie zudringliche Menschen oder wilde Tiere im Unterschied zum Stellplatz oder Camp im bush, die erheblichen Aufwand erfordern, solchen Schutz selbst zu gewährleisten.

Der Beherbergungsbetrieb (amtsdeutsch) bezeichnet den Kunden euphemistisch als Gast, die Beziehungen beider zueinander werden jedoch über Geld und Leistung verglichen, während es im Gastrecht um den Austausch von Geschenken geht; allerdings ist der Gaststatus zeitlich eng befristet. Die Idee der Gastfreundschaft wurzelt im Nomadentum und hebt den Status des Fremden als Feind befristet auf, sie ist Teil der tradierten Kultur.

Die Idee der Herberge als Institution hat dagegen einen sozialen Charakter, weil sie der Gemeinschaft nützt indem sie das Wohl des Einzelnen bedenkt anstatt ihn der Wildnis zu überlassen, auch wenn dies in sehr unterschiedlichen Formen geschieht. Historisch zu beobachten ist das seit der christlichen Antike, in der als »Werk der Barmherzigkeit« Einrichtungen gestiftet wurden wie Xenodochien oder Hospize, die gleichzeitig in verschiedenen Abteilungen Pilger, Reisende, Kranke, Alte beherbergen konnten. Heute ist diese Grundidee zerfallen in:

  • das Hotel als primär geschäftliches Unterkunftsangebot;
  • die Herbergen zur Heimat als primär wohltätige Einrichtung für Obdachlose;
  • das Hospital als primär heilende Einrichtung;
  • das Hospiz als palliative Einrichtung;
  • den »Beherbergungsbetrieb« als Kategorie für alle Formen vom Wohnmobilstellplatz bis zur Nobelherberge.

Die Herberge als Institution wurzelt im griechischen πανδοχεῖον Pandocheion `das alle aufnehmende´, findet aber keine institutionelle Entsprechung im lateinischen Raum.

  • Sie verbreitete sich jedoch in den semitischen Sprachen des Mediterraneums und fand als funduq/fondaco Eingang in die lingua franca als internationale Geschäftssprache, synonym zum persischen (khān, Karawane, Karawanserei und arabischen (wakāla), hebräischen pundak (פונדק‎). Der Ursprung des italienischen Fondaco führt ebenso wie spanisches alfóndiga/alhóndiga und arabisches funduq (فندق) zum griechischen phoundax `Warenhaus´, dem Bedeutungskern über die Sprachen hinweg. Die Institution bedient als die Interessen des fahrenden Händlers, die Rastplätze benötigten und zudem eines gesteigerten Schutzes ihrer Waren und ihres Vermögens bedurften. Khān und Wakāla wurden vor allem im (ägyptischen) Mamlūkenreich ab dem 13. Jahrhundert betrieben; Wakāla auch im ottomanischen Raum.
  • Ebenfalls aus dem griechischen Raum stammt das spätere Xenodochium `Fremde aufnehmend´), das sich von dort jedoch im lateinischen und späteren fränkischen Raum als Hospital verbreitete und die Interessen von Bedürftigen bediente.
  • Wer einem institutionellen System angehörte, konnte dieses nutzen, also fanden wandernde Kleriker und Scholaren Unterschlupf im Kloster oder in Pfarrhäusern; für wandernde Gesellen ab dem Mittelalter gab es Gesellenherbergen.
  • Als sprachliche Wurzel der Herberge erscheint althochdeutsches heriberga als `Ort, wo das Heer lagert´ und enthält damit die Komponenten von Schutzmacht und Geborgenheit (`bergan´). Die Bedeutung verschiebt sich aber schon im Mittelhochdeutschen auf den `Ort, wo der Fremde nächtigt´ und betont mit den synonymen lateinischen Ausdrücken hospitium, casa, tabernaculum die Aspekte von Gast, festem Haus, Schutz. Mit dem Errichten von Herbergen als Geschäftsbetrieb wurden diese zum Gasthaus, Wirtshaus und bedienten auch die erweiterten Bedürfnisse ihrer Kunden üder das Schlafen und Essen hinaus mit Trinken und Beischlaf.

Die spezifischen Eigenschaften der unterschiedlichen Institutionen spiegeln in unterschiedlichen Kulturräumen auch das Reiseverhalten: »The existence of the funduq and fondaco in the Muslim world encouraged European traders to visit Islamic ports, while the lack of comparable institutions in European cities mean that Muslim merchants rarely journeyed to European markets« 1).

Olivia Remie Constable
Housing the Stranger in the Mediterranean World.
Lodging, Trade and Travel in Late Antiquity and the Middle Ages.
XII, 427 S., Bibliographie 362-404, Cambridge 2003: Cambridge University Press
Mit Hinweisen zu den aufgeführten Beherbergungsvarianten. Rezension: Kathryne Beebe, Journal of the Oxford University History Society JOUHS 2004. Inhalt:

  • 'Accepting all comers': a cross-cultural institution in late antiquity
  • The transition from Byzantium to the Dar al-Islam
  • Commerce, charity, community, and the Funduq
  • Colonies before colonialism: western trade and the evolution of the Fondaco
  • Conquest and commercial space: the case of Iberia
  • Fondacos in Sicily, South Italy, and the crusader states
  • Changing patterns of Muslim commercial space in the later middle ages
  • Christian commerce and the solidification of the Fondaco system
  • The Fondaco in Mediterranean Europe.
1)
s.Constabel, S. 110
wiki/herberge.1631943503.txt.gz · Zuletzt geändert: 2021/09/18 05:38 von norbert

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