Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


wiki:gast

Unterschiede

Hier werden die Unterschiede zwischen zwei Versionen der Seite angezeigt.

Link zu der Vergleichsansicht

Beide Seiten, vorherige ÜberarbeitungVorherige Überarbeitung
Nächste Überarbeitung
Vorherige Überarbeitung
wiki:gast [2021/07/22 08:17] norbertwiki:gast [2024/03/03 04:43] (aktuell) norbert
Zeile 10: Zeile 10:
   Teil der Trilogie »Das goldene Vlies« (1821): Der Gastfreund, Die Argonauten, Medea   Teil der Trilogie »Das goldene Vlies« (1821): Der Gastfreund, Die Argonauten, Medea
  
-Der [[wiki:fremdes|Fremde]], der mit einem Geschenk in eine Gemeinschaft eintritt, wird bei vielen Völkern mißtrauisch betrachtet, denn weit verbreitet ist die Haltung, daß ein Geschenk durch ein Gegengeschenk beantwortet werden muß  ((''J. Makarewicz''\\ //Einführung in die Philosophie des Strafrechts// a.a.O. Seite 284)). Das passende Gegengeschenk für einen Fremden wäre dann die Gastfreundschaft. Doch will man den Fremden als Gast aufnehmen?+Der [[wiki:fremdes|Fremde]], der mit einem Geschenk in eine Gemeinschaft eintritt, wird bei vielen Völkern mißtrauisch betrachtet, denn weit verbreitet ist die Haltung, daß ein Geschenk durch ein Gegengeschenk beantwortet werden muß  ((''J. Makarewicz''\\ //Einführung in die Philosophie des Strafrechts// a.a.O. Seite 284)). Das passende Gegengeschenk für einen Fremden wäre dann die Gastfreundschaft. Doch will man den Fremden als Gast aufnehmen? Die Institution der [[wiki:herberge|Herberge]] umgeht das Problem, indem der Gast zum Kunden wird.
  
 Das hebräische Wort für Gast setzt sich zusammen aus //gèr//, Fremder, und //tosàb//, Einheimischer, und zeigt an, daß dem Gast eine Stellung zwischen beiden zukommt. Zwischen Gast und Feind finden sich die ursprünglichen Begriffe im Griechischen, Lateinischen, Deutschen, Englischen. Das lateinische Wort //hostis//, der Feind, und das deutsche Wort //Gast// entstanden aus derelben Sprachwurzel. Als Gast bezeichnete man noch bis zum Ende des Mittelalters den reisenden Krieger; im Englischen bezeichnet //host// noch heute den Hausherrn ebenso wie die Heerschar oder die //Hostie// ((germ. *gasti-, *gastiz; idg. *ghostis »dasz hostis, gast urspr. der fremde ist, der nach der sitte, die noch in sagen nachklingt, als feind den göttern geopfert, zugleich aber, wie jedes blutige opfer, von den opfernden als frommes mahl verzehrt wurde als hostia humana, und der anklang von hostis und hostia kann diese annahme wol stützen« [Grimms Wörterbuch])). Das hebräische Wort für Gast setzt sich zusammen aus //gèr//, Fremder, und //tosàb//, Einheimischer, und zeigt an, daß dem Gast eine Stellung zwischen beiden zukommt. Zwischen Gast und Feind finden sich die ursprünglichen Begriffe im Griechischen, Lateinischen, Deutschen, Englischen. Das lateinische Wort //hostis//, der Feind, und das deutsche Wort //Gast// entstanden aus derelben Sprachwurzel. Als Gast bezeichnete man noch bis zum Ende des Mittelalters den reisenden Krieger; im Englischen bezeichnet //host// noch heute den Hausherrn ebenso wie die Heerschar oder die //Hostie// ((germ. *gasti-, *gastiz; idg. *ghostis »dasz hostis, gast urspr. der fremde ist, der nach der sitte, die noch in sagen nachklingt, als feind den göttern geopfert, zugleich aber, wie jedes blutige opfer, von den opfernden als frommes mahl verzehrt wurde als hostia humana, und der anklang von hostis und hostia kann diese annahme wol stützen« [Grimms Wörterbuch])).
  
-Der ältere Grundsatz, den Fremden als Feind zu betrachten und zu behandeln, wurde geschichtlich erst im Nachhinein durch das Gastrecht gemildert. Das Gastrecht erwächst aus der persönlichen Begegnung und gilt begrenzt für Zelt, Haus, Wohnplatz. Der Gastgeber kann Gastrecht ((Z.B.: ''Rudorff, H''., //Zur Rechtsstellung der Gäste im mittelalterlichen städtischen Prozess//, 1907;\\  ''Schultze, A.,'' //Über Gästerecht und Gastgerichte//, HZ Historische Zeitschrift 101 (1908), 473;\\  ''Hellmuth, L.,'' //Gastfreundschaft und Gastrecht bei den Germanen//, 1984;\\ ''Stein-Hölkeskamp, E.,'' //Das römische Gastmahl//, 2005)) befristet gewähren, doch ist der Fremde kein Gastnehmer, der Anspruch auf Gastrecht hat. Es wird schließlich symbolisch bekräftigt: mit Brot und Salz, einem Geschenk, mit Handschlag und einer Aufforderung, etwa »über die Schwelle« zu treten. Die Schwelle symbolisiert einen Übergang: dort ändern sich Rechte; dafür sind  [[wiki:reisegoetter|Schutzgottheiten]] zuständig.+Der ältere Grundsatz, den Fremden als Feind zu betrachten und zu behandeln, wurde geschichtlich erst im Nachhinein durch das Gastrecht gemildert. Das Gastrecht erwächst aus der persönlichen Begegnung und gilt begrenzt für Zelt, Haus, Wohnplatz. Der Gastgeber kann Gastrecht befristet gewähren, doch ist der Fremde kein Gastnehmer, der Anspruch auf Gastrecht hat. Es wird schließlich symbolisch bekräftigt: mit Brot und Salz, einem Geschenk, mit Handschlag und einer Aufforderung, etwa »über die Schwelle« zu treten. Die Schwelle symbolisiert einen [[wiki:uebergang|Übergang]]: dort ändern sich Rechte; dafür sind  [[wiki:reisegoetter|Schutzgottheiten]] zuständig.
  
-Gast kann nur seinwer zu gehen beabsichtigt. Viele [[wiki:sprichwoerter|Sprichwörter]] formulieren überlieferte und bewährte Verhaltensnormen:+Für den [[wiki:zwischenraum|Zwischenraum]] entstand in mittelalterlicher Zeit das [[wiki:geleitswesen|Geleitswesen]] aus öströmischen Wurzeln und nach Entstehung der National[[wiki:staaten|staaten]] der [[wiki:reisepass|Reisepass]], schließlich wurden auch [[wiki:versicherungen|Versicherungen]] angeboten. 
 + 
 +Gast kann nur werdender zu gehen beabsichtigt. Viele [[wiki:sprichwoerter|Sprichwörter]] formulieren überlieferte und bewährte Verhaltensnormen:
   Bewirte deine Gäste, aber behalte sie nicht! (chines.)   Bewirte deine Gäste, aber behalte sie nicht! (chines.)
   Auch des liebsten Gastes ist man in drei Tagen satt. (jugosl.)   Auch des liebsten Gastes ist man in drei Tagen satt. (jugosl.)
Zeile 22: Zeile 24:
 Dahinter »stehen Hypothesen über zufriedenstellendes Zusammenleben einer Gemeinschaft, die sich als »Angewandte Lebenserfahrung« interpretieren lassen … bedeutsam [ist], daß der Sachverhalt vom Volksmund akzeptiert und für wichtig genug gehalten wurde, tradiert zu werden« ((''Siegfried Müller'': //Können Sprichwörter bei der Entwicklung psychologischer Theorien helfen?// In: Zeitschrift für angewandte Sozialpsychologie. 29 (1998) Heft 1. [http://psychologie.fernuni-hagen.de/Psychologie/SOZPSYCH/GD/Artikel/Mueller.html])). Keinesfalls und nirgends ist das Gastrecht von Dauer. Der Gast fällt, sobald die Gastfreundschaft beendet ist, in den Zustand des ungeschützten Fremden, des Eindringlings oder gar des Feindes zurück. Dahinter »stehen Hypothesen über zufriedenstellendes Zusammenleben einer Gemeinschaft, die sich als »Angewandte Lebenserfahrung« interpretieren lassen … bedeutsam [ist], daß der Sachverhalt vom Volksmund akzeptiert und für wichtig genug gehalten wurde, tradiert zu werden« ((''Siegfried Müller'': //Können Sprichwörter bei der Entwicklung psychologischer Theorien helfen?// In: Zeitschrift für angewandte Sozialpsychologie. 29 (1998) Heft 1. [http://psychologie.fernuni-hagen.de/Psychologie/SOZPSYCH/GD/Artikel/Mueller.html])). Keinesfalls und nirgends ist das Gastrecht von Dauer. Der Gast fällt, sobald die Gastfreundschaft beendet ist, in den Zustand des ungeschützten Fremden, des Eindringlings oder gar des Feindes zurück.
  
 +Migranten sind keine Gäste. Die italienische Philosophin denkt über die Stellung des "Ansässigen Fremden" in unserer Gesellschaft nach, vor dem Hintergrund von [[wiki:staaten|Staatsgewalt]], [[wiki:territorien|Territorium]] und [[wiki:souveraenitat|Souveränität]].
 +  * ''Cesare, Donatella di''\\ //Philosophie der Migration.//\\ Aus dem Italienischen von Daniel Creutz. 343 S. Berlin 2021: Matthes & Seitz 
 + 
 +==== Literatur ====
  
-  * ''Peyer, Hans Conrad, Elisabeth Müller-Luckner''\\ Gastfreundschaft, Taverne und Gasthaus im Mittelalter. München 1983: R. Oldenbourg. 275 S. Kolloquium 27. bis 30. Jan. 1982 in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. +  * ''Hans-Dieter Bahr'': //Die Sprache des Gastes. Eine Metaethik//. Reclam Leipzig 1994 
-  * ''Peyer, Hans Conrad''\\ Von der Gastfreundschaft zum Gasthaus.\\ Studien zur Gastlichkeit im Mittelalter\\ (=Monumenta Germaniae Historica 31) Hannover 1987 +  * ''Bolchazy, Ladislaus''\\ //From Xenophobia to Altruism : Homeric and Roman Hospitality//.\\ The Ancient World, 1.1 (1978) 45-64. 
 +  * ''Berger, Jutta Maria''\\ //Die Geschichte der Gastfreundschaft im hochmittelalterlichen Mönchtum.//\\ Die Cistercienser.\\ Zugl.: Münster (Westfalen), Univ., Diss., 1996/97. 428 S. Berlin Akad.-Verl. 1999 
 +  * ''Friese, Heidrun''\\ //The Limits of Hospitality//\\ Political Philosophy, Undocumented Migration and the Local Arena.\\ European Journal of Social Theory. 13.3 (2010) 323-341. 
 +  * ''Hellmuth, L.''\\ //Gastfreundschaft und Gastrecht bei den Germanen//\\ 382 S., Wien: Österreichische Akademie der Wissenschaften, 1984 
 +  * ''Hiltbrunner, Otto''\\ //Gastfreundschaft in der Antike und im frühen Christentum//\\ 392 S., Darmstadt WBG Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2012 
 +  * ''Jezierski, Wojtek''\\ //Convivium in terra horroris: Helmold of Bosau’s Rituals of Hostipitality.//\\ S. 139–174 in: Wojtek Jezierski, Lars Hermanson, Hans Jacob Orning and Thomas Småberg (Hg.): Rituals, Performatives, and Political Order in Northern Europe, c. 650–1350. Turnhout 2015: Brepols 
 +  * ​ ''Gerhard Kurz''\\ //Sind Fragen nach der Herkunft ausgrenzend?//\\ FAZ 02.12.2020\\ Reflexion über die erste Frage beim Begegnen zweier Menschen an Beispielen: »von wannen kommst du und welche Leiden littest du?« fragte der Schweinehirt ''Eumäos'' den heimkehrenden ''Odysseus'' (Homer) und so fragte auch ''Iphigenie'' den ''Pylades'' (Goethe) und so fragt auch der kleine Prinz (''Saint Exupéry''). Und der aufklärerische, vernünftige ''Voltaire'' fragt nach dem Sinn: »Wer bist Du? Woher kommst Du? Wohin wirdst du gehen?« ((''Voltaire'': //Mélanges//. Texte etabli et annote par ''Jacques van den Heuvel''. Paris: Gallimard, 1961. Anm. 5, 877)) 
 +  * ''Loycke, Almut''\\ //Der Gast, der bleibt : Dimensionen von Georg Simmels Analyse des Fremdseins.//\\ Frankfurt a. Main 1992: Campus 
 +  * ''Sari Nauman'', ''Wojtek Jezierski'', ''Christina Reimann'', ''Leif Runefelt'' (Hg.)\\ //Baltic Hospitality from the Middle Ages to the Twentieth Century Receiving Strangers in Northeastern Europe.//\\ XIV, 394 S. Cham 2022: Springer Nature. [[https://directory.doabooks.org/handle/20.500.12854/92460|Online]]  
 +  * ''Olsson, S.''\\ //The Hostages of the Northmen//\\ From the Viking Age to the Middle Ages.\\ Stockholm 2019: Stockholm  University Press. DOI: https://doi.org/10.16993/bba 
 +  * ''Hugo Oschinsky''\\ //Der Ritter unterwegs und die Pflege der Gastfreundschaft im alten Frankreich.//\\ Inaugural-Dissertation Halle an der Saale 85  S. Berlin 1900: R. Gaertner 
 +  * ''Peyer, Hans Conrad, Elisabeth Müller-Luckner''\\ //Gastfreundschaft, Taverne und Gasthaus im [[wiki:reisegenerationen#Der Blick zurück: Das Mittelalter als Epoche| Mittelalter]] //.\\ München 1983: R. Oldenbourg. 275 S. Kolloquium 27. bis 30. Jan. 1982 in der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. 
 +  * ''Peyer, Hans Conrad''\\ //Von der Gastfreundschaft zum Gasthaus//.\\ Studien zur Gastlichkeit im [[wiki:reisegenerationen#Der Blick zurück: Das Mittelalter als Epoche| Mittelalter]] \\ (=Monumenta Germaniae Historica 31) Hannover 1987 
 +  * ''Rudorff, H''.\\ //Zur Rechtsstellung der Gäste im mittelalterlichen städtischen Prozess//\\ Diss. Berlin 1906, Breslau Marcus 1907 
 +  * ''Schultze, A.''\\ //Gästerecht und Gästegerichte in deutschen Städten des Mittelalters.//\\ HZ Historische Zeitschrift 101 (1908) 473-528 
 +  * ''Stein-Hölkeskamp, E.''\\ //Das römische Gastmahl//\\ 364  S., München: Beck 2010/ 2005
wiki/gast.1626941830.txt.gz · Zuletzt geändert: 2021/07/22 08:17 von norbert

Donate Powered by PHP Valid HTML5 Valid CSS Driven by DokuWiki