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wiki:1985_sudan

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wiki:1985_sudan [2021/05/31 12:10] norbertwiki:1985_sudan [2023/05/26 15:08] (aktuell) norbert
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 Das ganze Jahr über hatte ich Reisepläne entworfen, Details geplant: Nach Schwarzafrika sollte es gehen, ohne Frage. Auch die Wüste wollte ich erleben, intensiv und tagelang, und den Dschungel kennenlernen. Die arabischen Länder dagegen lagen mir fern, ihr Lebensstil war mir zu laut, zu schrill. Eine Route durch Tunesien, Algerien, Niger zur westafrikanischen Küste war ausgearbeitet, einschlägige Literatur gelesen, erfahrene Freunde befragt und die Fährverbindungen über das Mittelmeer ausgekundschaftet, als ich von dem Plan eines Bekannten hörte, mit einem geländetauglichen Lkw die Libysche Wüste zu durchqueren und durch Ägypten, den Sudan, Kenia, Uganda, Ruanda, Burundi, Tanzania, Sambia und Zimbabwe bis nach Kapstadt zu gelangen. Das ganze Jahr über hatte ich Reisepläne entworfen, Details geplant: Nach Schwarzafrika sollte es gehen, ohne Frage. Auch die Wüste wollte ich erleben, intensiv und tagelang, und den Dschungel kennenlernen. Die arabischen Länder dagegen lagen mir fern, ihr Lebensstil war mir zu laut, zu schrill. Eine Route durch Tunesien, Algerien, Niger zur westafrikanischen Küste war ausgearbeitet, einschlägige Literatur gelesen, erfahrene Freunde befragt und die Fährverbindungen über das Mittelmeer ausgekundschaftet, als ich von dem Plan eines Bekannten hörte, mit einem geländetauglichen Lkw die Libysche Wüste zu durchqueren und durch Ägypten, den Sudan, Kenia, Uganda, Ruanda, Burundi, Tanzania, Sambia und Zimbabwe bis nach Kapstadt zu gelangen.
  
-Genau das war schon auf früheren Reisen mein Traum gewesen: Routen, Rastplätze und Richtungen im eigenen fahrzeug selbst bestimmen zu können anstatt sich in Bussen zu quälen. Über die //Deutsche Zentrale für Globetrotter// nahm ich Kontakt zu Reinhold auf: die Planungen steckten in der Endphase, Teilnehmer wurden gesucht, ich war dabei. Adieu Westafrika, vielleicht beim nächsten Mal.+Genau das war schon auf früheren Reisen mein Traum gewesen: Routen, Rastplätze und [[wiki:orientierung|Richtungen]] im eigenen fahrzeug selbst bestimmen zu können anstatt sich in Bussen zu quälen. Über die //Deutsche Zentrale für Globetrotter// nahm ich Kontakt zu Reinhold auf: die Planungen steckten in der Endphase, Teilnehmer wurden gesucht, ich war dabei. Adieu Westafrika, vielleicht beim nächsten Mal.
  
 Einige dieser Länder kannte ich von früheren Reisen, war schon einmal dort gewesen mit dem [[wiki:rucksack|Rucksack]] und unterwegs mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Und doch blieb immer der Eindruck zurück, nur die Oberfläche ertastet zu haben, nicht eingedrungen zu sein ins Land und lediglich von Stadt zu Stadt getrieben worden zu sein, eingeengt durch die Pfade der Zivilisation, durch Buslinien und Fahrpläne, ausgeliefert der scheinbaren Willkür des Fahrers, dessen Sprache ich nicht verstand, an Plätzen vorbei, an denen ich bleiben wollte. Einige dieser Länder kannte ich von früheren Reisen, war schon einmal dort gewesen mit dem [[wiki:rucksack|Rucksack]] und unterwegs mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Und doch blieb immer der Eindruck zurück, nur die Oberfläche ertastet zu haben, nicht eingedrungen zu sein ins Land und lediglich von Stadt zu Stadt getrieben worden zu sein, eingeengt durch die Pfade der Zivilisation, durch Buslinien und Fahrpläne, ausgeliefert der scheinbaren Willkür des Fahrers, dessen Sprache ich nicht verstand, an Plätzen vorbei, an denen ich bleiben wollte.
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 Das Abteil nimmt unseren Geruch an, wird voller. Schafskäse, Oliven, Knoblauch, Zwiebeln, Brot, Wein tun ein übriges - zweieinhalb Tage wohnen auf einem halben Quadratmeter. Bald sind auch die Gänge besetzt und schließlich belegt, es wird lauter und lebendiger, die Bewohner der Nachbarabteile sind bald vertrauter: Das Woher und Wohin ist schnell geklärt, Tips und Tricks sind Gegenstand endlosen Informationsaustausches, nur das Warum scheint ausgeklammert - Schlagworte wie Urlaub, Ferien, Abhauen tabuisieren eher. Enthüllendes bleibt im Privaten. Das Abteil nimmt unseren Geruch an, wird voller. Schafskäse, Oliven, Knoblauch, Zwiebeln, Brot, Wein tun ein übriges - zweieinhalb Tage wohnen auf einem halben Quadratmeter. Bald sind auch die Gänge besetzt und schließlich belegt, es wird lauter und lebendiger, die Bewohner der Nachbarabteile sind bald vertrauter: Das Woher und Wohin ist schnell geklärt, Tips und Tricks sind Gegenstand endlosen Informationsaustausches, nur das Warum scheint ausgeklammert - Schlagworte wie Urlaub, Ferien, Abhauen tabuisieren eher. Enthüllendes bleibt im Privaten.
  
-56 Stunden: Zeit, zu überlegen, wohin die Reise führt. Das Reisen der Anderen steckt an, der Unruhe-Virus breitet sich aus; im Unterwegs-Sein sind alle einander vertraut: Ja, das Studium ist nach endlosen Jahren abgeschlossen, ich nutze die Zeit danach. Vier Monate habe ich zuhause alles getan, was ich schon jahrelang tun wollte, nichts ist nun zu tun übrig. Leere. Das Geld verdienen um des Geldes willen hat mich angeekelt, nach einer Woche habe ich gekündigt, der Job war unerträglich.+56 Stunden: Zeit, zu überlegen, wohin die Reise führt. Das Reisen der Anderen steckt an, der Unruhe-Virus breitet sich aus; im [[wiki:unterwegs-sein|Unterwegs-sein]] sind alle einander vertraut: Ja, das Studium ist nach endlosen Jahren abgeschlossen, ich nutze die Zeit danach. Vier Monate habe ich zuhause alles getan, was ich schon jahrelang tun wollte, nichts ist nun zu tun übrig. Leere. Das Geld verdienen um des Geldes willen hat mich angeekelt, nach einer Woche habe ich gekündigt, der Job war unerträglich.
  
 Die Reise soll mir ein Spiegel sein; ein Teil meiner Erinnerungen wird sich im Tagebuch wiederfinden - Fotos sagen mir wenig. Selbst unbeschrieben ist das Tagebuch die Summe meiner bisherigen Beschäftigung mit Büchern; es steht für alle Bücher, die ich gerne gelesen habe, für mein Examen, meinen Beruf, es ist die Nabelschnur zur Heimat. Auf dieser Reise wird es einen Zweikampf führen müssen mit den niedergeschriebenen Erinnerungen und Erlebnissen: Wer wird stärker sein? Ich bin gespannt, ob ich des Reisens überdrüssig werden kann. Die Reise soll mir ein Spiegel sein; ein Teil meiner Erinnerungen wird sich im Tagebuch wiederfinden - Fotos sagen mir wenig. Selbst unbeschrieben ist das Tagebuch die Summe meiner bisherigen Beschäftigung mit Büchern; es steht für alle Bücher, die ich gerne gelesen habe, für mein Examen, meinen Beruf, es ist die Nabelschnur zur Heimat. Auf dieser Reise wird es einen Zweikampf führen müssen mit den niedergeschriebenen Erinnerungen und Erlebnissen: Wer wird stärker sein? Ich bin gespannt, ob ich des Reisens überdrüssig werden kann.
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 Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit einem Schritt, sagt ''Konfuzius''. Mein erster Schritt ist Athen. Fast dreitausend Kilometer liegen hinter mir, alle Veränderungen auf dem Weg habe ich Stück für Stück geschmeckt, gehört, gesehen: Die Natur macht keine Sprünge. Eine Reise von tausend Meilen beginnt mit einem Schritt, sagt ''Konfuzius''. Mein erster Schritt ist Athen. Fast dreitausend Kilometer liegen hinter mir, alle Veränderungen auf dem Weg habe ich Stück für Stück geschmeckt, gehört, gesehen: Die Natur macht keine Sprünge.
  
-Nun ist die Luft lau, ich habe ein T-Shirt an, das bald schwarz ist vom Smog über der Akropolis. Menschen, Sprache, Kleidung, Kultur sind mir vertraut, auch wenn ich sie nicht verstehe. Noch fühle ich mich zu Hause, bin Europäer.+Nun ist die Luft lau, ich habe ein T-Shirt an, das bald schwarz ist vom Smog über der Akropolis. Menschen, Sprache, [[wiki:reisekleidung|Kleidung]] , Kultur sind mir vertraut, auch wenn ich sie nicht verstehe. Noch fühle ich mich zu Hause, bin Europäer.
  
 ==== In Ägypten ==== ==== In Ägypten ====
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 Dorthin waren auch die übrigen fünf Reisenden unterwegs. ''Georg'' flog aus Deutschland ein, ''Hardi'' war schon einige Monate unterwegs und mit ''Ulrike'' und ''Mathias'' machte ich nun schon seit drei Wochen in Ägypten einen richtig erholsamen Urlaub — vor dem großen Abenteuer. Dorthin waren auch die übrigen fünf Reisenden unterwegs. ''Georg'' flog aus Deutschland ein, ''Hardi'' war schon einige Monate unterwegs und mit ''Ulrike'' und ''Mathias'' machte ich nun schon seit drei Wochen in Ägypten einen richtig erholsamen Urlaub — vor dem großen Abenteuer.
  
-Eine Woche badeten und tauchten wir im Roten Meer; in der Nähe von //Sharm el Sheik// gibt es einsame [[wiki:strand-abc|Sandstrände]] und kleine Dörfer, in denen wir uns mit Fisch, Zucchini, Auberginen, Zwiebeln und Linsen versorgten. Der Strand, an dem wir schliefen, war sauberer als alle Hotels und morgens ging die Sonne über dem Meer auf; beim allmorgendlichen Strandlauf fand ich angetriebene Holzreste für das Frühstücksfeuer.+Eine Woche badeten und tauchten wir im Roten Meer; in der Nähe von //Sharm el Sheik// gibt es einsame [[wiki:liste_strand-abc|Sandstrände]] und kleine Dörfer, in denen wir uns mit Fisch, Zucchini, Auberginen, Zwiebeln und Linsen versorgten. Der Strand, an dem wir schliefen, war sauberer als alle Hotels und morgens ging die Sonne über dem Meer auf; beim allmorgendlichen Strandlauf fand ich angetriebene Holzreste für das Frühstücksfeuer.
  
-Ausgedehnte Spaziergänge führten uns durch die großartige  [[wiki:landschaft|Landschaft]]im Landesinnern: Roter Granit, von der Erosion zerfressen, bildet die sichtbare Oberfläche der Berge und Hügel, in den breiten Schluchten zeigt sich nur hier und da eine Akazie, manchmal Palmen, öfter Dornsträucher. Wenige Beduinen durchziehen das Land mit Kamelen und Ziegenherden, leben in grob gewebten Zelten. Einige Tage lang bekamen wir einen Eindruck von diesem Leben; zusammen mit einem Beduinen als Führer zogen wir auf Kamelen von Brunnen zu Brunnen.+Ausgedehnte [[wiki:spaziergang|Spaziergänge]] führten uns durch die großartige  [[wiki:landschaft|Landschaft]]im Landesinnern: Roter Granit, von der Erosion zerfressen, bildet die sichtbare Oberfläche der Berge und Hügel, in den breiten Schluchten zeigt sich nur hier und da eine Akazie, manchmal Palmen, öfter Dornsträucher. Wenige [[wiki:beduinen|Beduinen]] durchziehen das Land mit Kamelen und Ziegenherden, leben in grob gewebten Zelten. Einige Tage lang bekamen wir einen Eindruck von diesem Leben; zusammen mit einem [[wiki:beduinen|Beduinen]] als Führer zogen wir auf Kamelen von Brunnen zu Brunnen.
  
 In der letzten Woche brachen wir auf zum //Dschebel Musa//, dem Berg Moses, an dessen Fuß das älteste christliche Kloster, das Katharinenkloster, steht. Wir wollten den Sonnenaufgang erleben von diesem zweithöchsten Berg der Sinai-Halbinsel, und stiegen in der abendlichen Dämmerung auf, um unterhalb des Gipfels zu übernachten. Mehr als dreitausend Stufen führen auf den 2.283 Meter hohen Berg, angelegt von einem Mönch aufgrund eines Gelübdes. Die Stufen bestehen aus grob behauenen Felsen und sind dem Gelände angepasst, nicht aber der Schrittweise eines normalen Menschen; hin und wieder ging der Aufstieg in eine leichte Kletterei über. Unterhalb des Gipfels befindet sich eine Opferstätte, an der gewaltige Zypressen einen Brunnen beschirmen. Zwei karge Hütten stehen leer. Fellstücke und Knochen deuten auf eine rege Opfertätigkeit hin. In der letzten Woche brachen wir auf zum //Dschebel Musa//, dem Berg Moses, an dessen Fuß das älteste christliche Kloster, das Katharinenkloster, steht. Wir wollten den Sonnenaufgang erleben von diesem zweithöchsten Berg der Sinai-Halbinsel, und stiegen in der abendlichen Dämmerung auf, um unterhalb des Gipfels zu übernachten. Mehr als dreitausend Stufen führen auf den 2.283 Meter hohen Berg, angelegt von einem Mönch aufgrund eines Gelübdes. Die Stufen bestehen aus grob behauenen Felsen und sind dem Gelände angepasst, nicht aber der Schrittweise eines normalen Menschen; hin und wieder ging der Aufstieg in eine leichte Kletterei über. Unterhalb des Gipfels befindet sich eine Opferstätte, an der gewaltige Zypressen einen Brunnen beschirmen. Zwei karge Hütten stehen leer. Fellstücke und Knochen deuten auf eine rege Opfertätigkeit hin.
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 Auch das Gesehene gewinnt an Tiefe, ich erlebe es neu in der Monotonie der Sandwüste: Schon ein einzelner Stein oder ein Kamelknochen ist ein Ereignis in der Gleichförmigkeit des gerippten Sandes, Grund genug zur Richtungsänderung und zur näheren Betrachtung. Entfernungen zu schätzen, wurde mir unmöglich: oft wurden Felsstücke, durchs Fernglas betrachtet, zum weit entfernten Hügel. Auch das Gesehene gewinnt an Tiefe, ich erlebe es neu in der Monotonie der Sandwüste: Schon ein einzelner Stein oder ein Kamelknochen ist ein Ereignis in der Gleichförmigkeit des gerippten Sandes, Grund genug zur Richtungsänderung und zur näheren Betrachtung. Entfernungen zu schätzen, wurde mir unmöglich: oft wurden Felsstücke, durchs Fernglas betrachtet, zum weit entfernten Hügel.
  
-Der Darb ei Arba’in wollen wir in weitem Abstand folgen, aus Furcht vor Kontrollen. So schlagen wir einen weiten Bogen durch die Wüste, Richtung Libyen. Vom ersten Tag an fallen wir gegenüber den anderen zurück: Der Lkw ist zu schwer für den Sand der Wüste, die Reifen taugen nur auf normalen Böden. Wir lassen Luft ab, um die Auflagefläche zu vergrößern.+Der Darb ei Arba’in wollen wir in weitem Abstand folgen, aus Furcht vor Kontrollen. So schlagen wir einen weiten Bogen durch die Wüste, [[wiki:orientierung|Richtung]] Libyen. Vom ersten Tag an fallen wir gegenüber den anderen zurück: Der Lkw ist zu schwer für den Sand der Wüste, die Reifen taugen nur auf normalen Böden. Wir lassen Luft ab, um die Auflagefläche zu vergrößern.
  
 Heilig Abend: Das erste Erwachen in der Wüste ist begleitet vom kalten Wind, der es mir schwer macht, den Daunenschlafsack zu verlassen. Wer zuerst wach ist, kocht Kaffee. Heißer Kaffee ist an diesen Morgen das Wichtigste. 93 Kilometer zeigt der Tacho nachmittags an; die Konvoipartner sind schon lange nicht mehr in Sicht, den ganzen Tag sind wir ihren Spuren gefolgt. Die Gegend ist felsig, unübersichtlich, unüberschaubar. Hügelauf- und abwärts kämpft sich der Faun wie ein urweltlicher Saurier. Felsstufen und Steine erschüttern die Ladefläche; täglich müssen wir jetzt die Seile spannen, Knoten erneuern, Schrauben anziehen. Hinter Kurven erwarten uns Sandverwehungen, bremsen die [[wiki:fahrt|Fahrt]] und mildern die Erschütterungen. Heilig Abend: Das erste Erwachen in der Wüste ist begleitet vom kalten Wind, der es mir schwer macht, den Daunenschlafsack zu verlassen. Wer zuerst wach ist, kocht Kaffee. Heißer Kaffee ist an diesen Morgen das Wichtigste. 93 Kilometer zeigt der Tacho nachmittags an; die Konvoipartner sind schon lange nicht mehr in Sicht, den ganzen Tag sind wir ihren Spuren gefolgt. Die Gegend ist felsig, unübersichtlich, unüberschaubar. Hügelauf- und abwärts kämpft sich der Faun wie ein urweltlicher Saurier. Felsstufen und Steine erschüttern die Ladefläche; täglich müssen wir jetzt die Seile spannen, Knoten erneuern, Schrauben anziehen. Hinter Kurven erwarten uns Sandverwehungen, bremsen die [[wiki:fahrt|Fahrt]] und mildern die Erschütterungen.
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 Ich erlebe in dieser Nacht erstmals den Schrecken der Wüste, als ich, den Wagenspuren unserer Konvoipartner folgend, in die Wüste hinausgehe. Nur mit den Füßen kann ich die Spuren im Sand tasten, sehen kann ich sie nicht. Es ist Neumond, unterhalb des Horizonts herrscht einheitliches Schwarz, den Hügel vor mir erkenne ich nur als schwarzes Loch ohne Sterne, Eine Stunde vielleicht folge ich den Spuren, der Boden wird langsam fester, Sand weicht Stein, dann kann ich die Spuren vom Untergrund nicht mehr unterscheiden. Nur noch einige Meter trennen mich von der Hügelkuppe, so scheint es mir, und ich möchte feststellen, ob ich von dort nicht die Lichter unserer Reisekameraden sehen kann. Der Weg war weiter als ich dachte, und als ich die Kuppe erreiche, dehnt sich nur endlose Schwärze vor mir, ob Hügel folgen oder Tal, oder sich eine Ebene vor mir ausdehnt - ich kann es nicht ausmachen. Langsam taucht ein Gefühl der Verlorenheit auf. Ich glaube, mich im absoluten Nichts zu befinden. Meine Sinne weiten sich, sind bereit, jeden Ton, jeden Funken aufzunehmen — doch da ist nichts. Kein Rascheln, kein Tierlaut unterbricht diese Stille. Einzig die Sterne stehen unbeweglich, der kalte Wind streicht gleichförmig um mich herum, Zeit hat keine Bedeutung mehr. Das Bedürfnis entsteht, mich dieser Natur anzupassen, mich hinzusetzen und zu Stein zu erstarren, den Wind teilnahmslos und gleichmütig zu ertragen, das Licht der Sterne zu schlucken. Ich erlebe in dieser Nacht erstmals den Schrecken der Wüste, als ich, den Wagenspuren unserer Konvoipartner folgend, in die Wüste hinausgehe. Nur mit den Füßen kann ich die Spuren im Sand tasten, sehen kann ich sie nicht. Es ist Neumond, unterhalb des Horizonts herrscht einheitliches Schwarz, den Hügel vor mir erkenne ich nur als schwarzes Loch ohne Sterne, Eine Stunde vielleicht folge ich den Spuren, der Boden wird langsam fester, Sand weicht Stein, dann kann ich die Spuren vom Untergrund nicht mehr unterscheiden. Nur noch einige Meter trennen mich von der Hügelkuppe, so scheint es mir, und ich möchte feststellen, ob ich von dort nicht die Lichter unserer Reisekameraden sehen kann. Der Weg war weiter als ich dachte, und als ich die Kuppe erreiche, dehnt sich nur endlose Schwärze vor mir, ob Hügel folgen oder Tal, oder sich eine Ebene vor mir ausdehnt - ich kann es nicht ausmachen. Langsam taucht ein Gefühl der Verlorenheit auf. Ich glaube, mich im absoluten Nichts zu befinden. Meine Sinne weiten sich, sind bereit, jeden Ton, jeden Funken aufzunehmen — doch da ist nichts. Kein Rascheln, kein Tierlaut unterbricht diese Stille. Einzig die Sterne stehen unbeweglich, der kalte Wind streicht gleichförmig um mich herum, Zeit hat keine Bedeutung mehr. Das Bedürfnis entsteht, mich dieser Natur anzupassen, mich hinzusetzen und zu Stein zu erstarren, den Wind teilnahmslos und gleichmütig zu ertragen, das Licht der Sterne zu schlucken.
  
-Im Laufe der Jahrhunderte würde ich schmelzen: Die Erosion macht alles zu Sand. Es liegt eine unbestimmbare Großartigkeit in dieser Form der Hingabe. Die Entscheidung, den Weg zurück zu finden, zerreißt den Zauber des Augenblicks. Vielleicht war es nur ein vom Wind herübergewehter Gesprächsfetzen aus dem Camp, der mich aufrüttelte, oder es war meine fehlende Demut vor der Natur, die in mir den Gedanken an das Ziel meiner Reise und an die Lust am Leben aufkommen ließ.+Im Laufe der [[wiki:reisegenerationen|Jahrhunderte]] würde ich schmelzen: Die Erosion macht alles zu Sand. Es liegt eine unbestimmbare Großartigkeit in dieser Form der Hingabe. Die Entscheidung, den Weg zurück zu finden, zerreißt den Zauber des Augenblicks. Vielleicht war es nur ein vom Wind herübergewehter Gesprächsfetzen aus dem Camp, der mich aufrüttelte, oder es war meine fehlende Demut vor der Natur, die in mir den Gedanken an das Ziel meiner Reise und an die Lust am Leben aufkommen ließ.
  
 Zwar weiß ich noch nicht wie, aber ich werde meinen Sinnen eine * [[wiki:orientierung|Orientierung]] bieten, die mich zurückführt. Ob es nun die schwarze Silhouette des Horizonts oder ein mir eingeprägtes Orientierungsmuster des Hinwegs war, das mich die Spuren im Sand finden ließ, weiß ich nicht, doch mir schien die halbe Nacht vergangen, als ich mich auf dem sicheren Rückweg wußte und Stunden später zurück ins Lager fand. Zwar weiß ich noch nicht wie, aber ich werde meinen Sinnen eine * [[wiki:orientierung|Orientierung]] bieten, die mich zurückführt. Ob es nun die schwarze Silhouette des Horizonts oder ein mir eingeprägtes Orientierungsmuster des Hinwegs war, das mich die Spuren im Sand finden ließ, weiß ich nicht, doch mir schien die halbe Nacht vergangen, als ich mich auf dem sicheren Rückweg wußte und Stunden später zurück ins Lager fand.
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 Heute haben wir nur 100 Liter Diesel verbraucht, gestern noch 200 Liter; je nach Bodenbeschaffenheit reicht der Rest für l bis 3 Tage. Diesel wird für uns wichtiger als Wasser und Nahrung; bei jedem Tanken mischen wir MotorÖl und Waschbenzin bei, der Vielstoffmotor kann’s vertragen. Heute haben wir nur 100 Liter Diesel verbraucht, gestern noch 200 Liter; je nach Bodenbeschaffenheit reicht der Rest für l bis 3 Tage. Diesel wird für uns wichtiger als Wasser und Nahrung; bei jedem Tanken mischen wir MotorÖl und Waschbenzin bei, der Vielstoffmotor kann’s vertragen.
  
-Mittwoch. Ein Teil der Gruppe versinkt in Lethargie, die anderen halten weiterhin Ausschau nach dem Nil; im Osten sind jetzt größere Erhebungen sichtbar geworden, schroff und schwarz erscheinen sie aus der Entfernung. Irgendwann fahren wir stur drei Kilometer nach Süden, weil wir als Nil erkannt haben, was sich als Luftspiegelung erwies. Fata Morgana im Kopf. Panik kommt auf. Jeder stachelt mit seiner Angst die anderen auf — gemeinsam läßt sie sich besser ertragen.+Mittwoch. Ein Teil der Gruppe versinkt in Lethargie, die anderen halten weiterhin Ausschau nach dem Nil; im Osten sind jetzt größere Erhebungen sichtbar geworden, schroff und schwarz erscheinen sie aus der Entfernung. Irgendwann fahren wir stur drei Kilometer nach Süden, weil wir als Nil erkannt haben, was sich als Luftspiegelung erwies. [[wiki:fata_morgana|Fata Morgana]] im Kopf. Panik kommt auf. Jeder stachelt mit seiner Angst die anderen auf — gemeinsam läßt sie sich besser ertragen.
  
 Detlev wird hysterisch und redet ununterbrochen; Anna verkrampft sich auf ihrem Sitz und macht sich ganz klein; Hardi redet ständig von Notsituationen und stellt Verhaltensregeln auf. Wer eine Aufgabe hat, vertieft sich darin. Der Kurs wird immer flatteriger und richtet sich bald nur noch nach der Bodenbeschaffenheit, ein Fahren nach Kompaß ist nicht mehr möglich, da wir Schlangenlinien zwischen Sandverwehungen und Dünen fahren. Einmal bleiben wir fast stecken, zum ersten Mal, daß der FAUN es nicht zu schaffen scheint. Einige wollen zu Fuß weiter gehen. Detlev wird hysterisch und redet ununterbrochen; Anna verkrampft sich auf ihrem Sitz und macht sich ganz klein; Hardi redet ständig von Notsituationen und stellt Verhaltensregeln auf. Wer eine Aufgabe hat, vertieft sich darin. Der Kurs wird immer flatteriger und richtet sich bald nur noch nach der Bodenbeschaffenheit, ein Fahren nach Kompaß ist nicht mehr möglich, da wir Schlangenlinien zwischen Sandverwehungen und Dünen fahren. Einmal bleiben wir fast stecken, zum ersten Mal, daß der FAUN es nicht zu schaffen scheint. Einige wollen zu Fuß weiter gehen.
wiki/1985_sudan.1622463029.txt.gz · Zuletzt geändert: 2021/05/31 12:10 von norbert

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