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wiki:1985_sudan

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wiki:1985_sudan [2021/05/31 12:10] norbertwiki:1985_sudan [2021/12/30 07:38] norbert
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 Eine Woche badeten und tauchten wir im Roten Meer; in der Nähe von //Sharm el Sheik// gibt es einsame [[wiki:strand-abc|Sandstrände]] und kleine Dörfer, in denen wir uns mit Fisch, Zucchini, Auberginen, Zwiebeln und Linsen versorgten. Der Strand, an dem wir schliefen, war sauberer als alle Hotels und morgens ging die Sonne über dem Meer auf; beim allmorgendlichen Strandlauf fand ich angetriebene Holzreste für das Frühstücksfeuer. Eine Woche badeten und tauchten wir im Roten Meer; in der Nähe von //Sharm el Sheik// gibt es einsame [[wiki:strand-abc|Sandstrände]] und kleine Dörfer, in denen wir uns mit Fisch, Zucchini, Auberginen, Zwiebeln und Linsen versorgten. Der Strand, an dem wir schliefen, war sauberer als alle Hotels und morgens ging die Sonne über dem Meer auf; beim allmorgendlichen Strandlauf fand ich angetriebene Holzreste für das Frühstücksfeuer.
  
-Ausgedehnte Spaziergänge führten uns durch die großartige  [[wiki:landschaft|Landschaft]]im Landesinnern: Roter Granit, von der Erosion zerfressen, bildet die sichtbare Oberfläche der Berge und Hügel, in den breiten Schluchten zeigt sich nur hier und da eine Akazie, manchmal Palmen, öfter Dornsträucher. Wenige Beduinen durchziehen das Land mit Kamelen und Ziegenherden, leben in grob gewebten Zelten. Einige Tage lang bekamen wir einen Eindruck von diesem Leben; zusammen mit einem Beduinen als Führer zogen wir auf Kamelen von Brunnen zu Brunnen.+Ausgedehnte [[wiki:spaziergang|Spaziergänge]] führten uns durch die großartige  [[wiki:landschaft|Landschaft]]im Landesinnern: Roter Granit, von der Erosion zerfressen, bildet die sichtbare Oberfläche der Berge und Hügel, in den breiten Schluchten zeigt sich nur hier und da eine Akazie, manchmal Palmen, öfter Dornsträucher. Wenige Beduinen durchziehen das Land mit Kamelen und Ziegenherden, leben in grob gewebten Zelten. Einige Tage lang bekamen wir einen Eindruck von diesem Leben; zusammen mit einem Beduinen als Führer zogen wir auf Kamelen von Brunnen zu Brunnen.
  
 In der letzten Woche brachen wir auf zum //Dschebel Musa//, dem Berg Moses, an dessen Fuß das älteste christliche Kloster, das Katharinenkloster, steht. Wir wollten den Sonnenaufgang erleben von diesem zweithöchsten Berg der Sinai-Halbinsel, und stiegen in der abendlichen Dämmerung auf, um unterhalb des Gipfels zu übernachten. Mehr als dreitausend Stufen führen auf den 2.283 Meter hohen Berg, angelegt von einem Mönch aufgrund eines Gelübdes. Die Stufen bestehen aus grob behauenen Felsen und sind dem Gelände angepasst, nicht aber der Schrittweise eines normalen Menschen; hin und wieder ging der Aufstieg in eine leichte Kletterei über. Unterhalb des Gipfels befindet sich eine Opferstätte, an der gewaltige Zypressen einen Brunnen beschirmen. Zwei karge Hütten stehen leer. Fellstücke und Knochen deuten auf eine rege Opfertätigkeit hin. In der letzten Woche brachen wir auf zum //Dschebel Musa//, dem Berg Moses, an dessen Fuß das älteste christliche Kloster, das Katharinenkloster, steht. Wir wollten den Sonnenaufgang erleben von diesem zweithöchsten Berg der Sinai-Halbinsel, und stiegen in der abendlichen Dämmerung auf, um unterhalb des Gipfels zu übernachten. Mehr als dreitausend Stufen führen auf den 2.283 Meter hohen Berg, angelegt von einem Mönch aufgrund eines Gelübdes. Die Stufen bestehen aus grob behauenen Felsen und sind dem Gelände angepasst, nicht aber der Schrittweise eines normalen Menschen; hin und wieder ging der Aufstieg in eine leichte Kletterei über. Unterhalb des Gipfels befindet sich eine Opferstätte, an der gewaltige Zypressen einen Brunnen beschirmen. Zwei karge Hütten stehen leer. Fellstücke und Knochen deuten auf eine rege Opfertätigkeit hin.
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 Ich erlebe in dieser Nacht erstmals den Schrecken der Wüste, als ich, den Wagenspuren unserer Konvoipartner folgend, in die Wüste hinausgehe. Nur mit den Füßen kann ich die Spuren im Sand tasten, sehen kann ich sie nicht. Es ist Neumond, unterhalb des Horizonts herrscht einheitliches Schwarz, den Hügel vor mir erkenne ich nur als schwarzes Loch ohne Sterne, Eine Stunde vielleicht folge ich den Spuren, der Boden wird langsam fester, Sand weicht Stein, dann kann ich die Spuren vom Untergrund nicht mehr unterscheiden. Nur noch einige Meter trennen mich von der Hügelkuppe, so scheint es mir, und ich möchte feststellen, ob ich von dort nicht die Lichter unserer Reisekameraden sehen kann. Der Weg war weiter als ich dachte, und als ich die Kuppe erreiche, dehnt sich nur endlose Schwärze vor mir, ob Hügel folgen oder Tal, oder sich eine Ebene vor mir ausdehnt - ich kann es nicht ausmachen. Langsam taucht ein Gefühl der Verlorenheit auf. Ich glaube, mich im absoluten Nichts zu befinden. Meine Sinne weiten sich, sind bereit, jeden Ton, jeden Funken aufzunehmen — doch da ist nichts. Kein Rascheln, kein Tierlaut unterbricht diese Stille. Einzig die Sterne stehen unbeweglich, der kalte Wind streicht gleichförmig um mich herum, Zeit hat keine Bedeutung mehr. Das Bedürfnis entsteht, mich dieser Natur anzupassen, mich hinzusetzen und zu Stein zu erstarren, den Wind teilnahmslos und gleichmütig zu ertragen, das Licht der Sterne zu schlucken. Ich erlebe in dieser Nacht erstmals den Schrecken der Wüste, als ich, den Wagenspuren unserer Konvoipartner folgend, in die Wüste hinausgehe. Nur mit den Füßen kann ich die Spuren im Sand tasten, sehen kann ich sie nicht. Es ist Neumond, unterhalb des Horizonts herrscht einheitliches Schwarz, den Hügel vor mir erkenne ich nur als schwarzes Loch ohne Sterne, Eine Stunde vielleicht folge ich den Spuren, der Boden wird langsam fester, Sand weicht Stein, dann kann ich die Spuren vom Untergrund nicht mehr unterscheiden. Nur noch einige Meter trennen mich von der Hügelkuppe, so scheint es mir, und ich möchte feststellen, ob ich von dort nicht die Lichter unserer Reisekameraden sehen kann. Der Weg war weiter als ich dachte, und als ich die Kuppe erreiche, dehnt sich nur endlose Schwärze vor mir, ob Hügel folgen oder Tal, oder sich eine Ebene vor mir ausdehnt - ich kann es nicht ausmachen. Langsam taucht ein Gefühl der Verlorenheit auf. Ich glaube, mich im absoluten Nichts zu befinden. Meine Sinne weiten sich, sind bereit, jeden Ton, jeden Funken aufzunehmen — doch da ist nichts. Kein Rascheln, kein Tierlaut unterbricht diese Stille. Einzig die Sterne stehen unbeweglich, der kalte Wind streicht gleichförmig um mich herum, Zeit hat keine Bedeutung mehr. Das Bedürfnis entsteht, mich dieser Natur anzupassen, mich hinzusetzen und zu Stein zu erstarren, den Wind teilnahmslos und gleichmütig zu ertragen, das Licht der Sterne zu schlucken.
  
-Im Laufe der Jahrhunderte würde ich schmelzen: Die Erosion macht alles zu Sand. Es liegt eine unbestimmbare Großartigkeit in dieser Form der Hingabe. Die Entscheidung, den Weg zurück zu finden, zerreißt den Zauber des Augenblicks. Vielleicht war es nur ein vom Wind herübergewehter Gesprächsfetzen aus dem Camp, der mich aufrüttelte, oder es war meine fehlende Demut vor der Natur, die in mir den Gedanken an das Ziel meiner Reise und an die Lust am Leben aufkommen ließ.+Im Laufe der [[wiki:reisegenerationen|Jahrhunderte]] würde ich schmelzen: Die Erosion macht alles zu Sand. Es liegt eine unbestimmbare Großartigkeit in dieser Form der Hingabe. Die Entscheidung, den Weg zurück zu finden, zerreißt den Zauber des Augenblicks. Vielleicht war es nur ein vom Wind herübergewehter Gesprächsfetzen aus dem Camp, der mich aufrüttelte, oder es war meine fehlende Demut vor der Natur, die in mir den Gedanken an das Ziel meiner Reise und an die Lust am Leben aufkommen ließ.
  
 Zwar weiß ich noch nicht wie, aber ich werde meinen Sinnen eine * [[wiki:orientierung|Orientierung]] bieten, die mich zurückführt. Ob es nun die schwarze Silhouette des Horizonts oder ein mir eingeprägtes Orientierungsmuster des Hinwegs war, das mich die Spuren im Sand finden ließ, weiß ich nicht, doch mir schien die halbe Nacht vergangen, als ich mich auf dem sicheren Rückweg wußte und Stunden später zurück ins Lager fand. Zwar weiß ich noch nicht wie, aber ich werde meinen Sinnen eine * [[wiki:orientierung|Orientierung]] bieten, die mich zurückführt. Ob es nun die schwarze Silhouette des Horizonts oder ein mir eingeprägtes Orientierungsmuster des Hinwegs war, das mich die Spuren im Sand finden ließ, weiß ich nicht, doch mir schien die halbe Nacht vergangen, als ich mich auf dem sicheren Rückweg wußte und Stunden später zurück ins Lager fand.
wiki/1985_sudan.txt · Zuletzt geändert: 2023/05/26 15:08 von norbert

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