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Auf Schusters Rappen

Scherzhafte Metapher für `zu Fuß reisen´ oder `lange Strecken zu Fuß gehen´ mit der Nebenbedeutung `weil man sich nichts anderes leisten kann´ und oft als bildhafte Gegenüberstellung Fußgänger-Reiter:

Die nächstliegende Deutung von `Schusters Rappen´ als `schwarze Stiefel´ verweist auf eine Entstehung im oberdeutschen Sprachraum, denn dort enstand der Begriff `Schuster´ 9) im 15. Jahrhundert und dort wurden dunkle (`rabenschwarze´) Pferde seit Anfang des 16. Jahrhunderts als `Rappen´ bezeichnet, als ein besonders edles Pferd. Aus diesem Sprachraum stammen auch die ältesten Belege. Für diese Deutung spricht auch, das dasselbe Bild (reiten > zu Fuß gehen) sowohl in älteren Metaphern (auf dem Apostelpferd reiten) sowie in benachbarten Sprachen verbreitet ist, (Beispiele siehe unter zu Fuß reisen).

Eine andere Deutung findet den Begriff im südwestdeutschen Raum (Breisgau) unter dem Einfluss des Alemannischen; dort ist `rapp´ der Rabe, im 14. Jahrhundert der `Kolmar-Rappen´ (Elsass) und seit dem 15. Jahrhundert der `Rappen´ (Freiburg) eine kleine schwarze Münze mit einem Vogelkopf (Rabe?); `berappen´ (`die Zeche bezahlen´) wanderte aus der Studenten- und Gaunersprache (Rotwelsch) über die schwäbische Krämersprache ins Hochdeutsche ein (19. Jahrhundert) 10).

Der Beschuhte ist eine Art Reiter

Der älteste bildhafte Vergleich (zu Fuß gehen > Reiter) findet sich im Koran als Ausspruch Muhammads »al-munta'ilu ahadu r-rakibaini« `der Beschuhte ist eine Art Reiter´, vergleichbar auch in anderen mittelalterlichen arabischen Quellen 11).

Auf der Mutter Fohlen reiten

Aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts stammen gleichzeitig die Erstbelege für »auf der Mutter Fohlen reiten« (`uf siner muoter vüln´) sowie an gleicher Stelle synonym »er reitet der Zwölfboten Pferd« (`er ritet der zwelfboten pfert´) 12), eindeutig spottend. Im 15. Jahrhundert dichtet Michael Beheim im Buch der Wiener 1462 - 1465 13):

Wir musten all zu fußen gan,
man sach viel manchen werden man
reiten auff seiner muter voln.

Auf dem Apostelpferd reiten

Der „Zwölfboten Pferd“ bezieht sich auf die zwölf Apostel, die von Jesus als Boten des Glaubens zu Fuß in alle Himmelsrichtungen geschickt wurden, nämlich per pedes apostolorum. Die lateinische Redewendung wurde im Volksmund zum `Apostelpferd´, selbstironisch, spöttisch oder ein angeberisches Verhalten bezeichnend:

Auf den Pferden des heiligen Franciscus

Diese Formulierung bezieht sich auf die wandernden Franziskanermönche (frz. Cordeliers, engl. Franciscan friars) bzw. Kapuzinermönche (frz. capucins):

Auf der Kuhhaut reiten

Shanks's pony reiten

1)
Georg Philipp Harsdörffer
Das Schauspiel teutscher Sprichwörter
Gerhardt, Nürnberg 1644/1657, S. 338
2)
Abraham a Santa Clara
Judas Der Ertz-Schelm Für ehrliche Leuth
Erster Thail, Band 1, Haan, Salzburg 1686, S. 305
3)
»Ziehe mich dir nach, so laufen wir« in: Hohelied Salomon 1.3
4)
ein kleinformatiges Heft für unterwegs mit nützlichem Inhalt
5)
angestrengtes Gehen, aus dem frz. travailler
6)
Europäischer Mercurius oder Götter-Both: das ist jetzt lebend- und regierender Potentaten Kriegs- und Friedens-Actiones, darinnen monatlich dem curieusen Liebhaber deroselben Staats-Maximen, getroffene Alliantzen, blutiggehaltene Scharmützel, hart-beschehene Belägerungen, glücklich-gethane Eroberungen etc., samt allem, was sich sonsten im ganzen Europa hin und wieder am Merck- und Denckwürdigsten begeben und zugetragen; von einer unparteyischen Feder vor Augen gestellt werden. Nürnberg 1690, Jan.-Febr S. 72
7)
KFW Wander: Deutsches Sprichwörter-Lexikon: Sattel bis Wei, Band 4, Brockhaus, 1876, S. 401 Nr. 41 und 43, 1387 Nr. 70: Übel beritten auf Schusters Rappen
8)
Johann Gottfried Seume
Lebenslauf Jeremias Bunkels, des alten Thorschreibers
9)
aus schuo(ch)ster < mittelhochdeutsch schuochsūter, aus: schuoch und sūter (lat.), also `Schuhnäher´; im Norddeutschen war es der Schumacher. Entsprechend ist `Schumachers Rappen´ selten und erst durch Johann Peter Hebel 1850 im „Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes“ stärker verbreitet.
10)
Lutz Röhrich
Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Band 1-5, Herder, Freiburg, Basel, Wien 1994 und dort weitere Deutungen
11)
Anton Spitaler
al-Qalamu aḥadu l-lisānaini
Beck München 1989 82 S., hier: S. 26 Nr. 65; Bayerische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-Historische Klasse: Sitzungsberichte ; Jg. 1989, H. 2
12)
Heinrich von Freiberg
Tristan
Verse 2191 und 2195, z.B. in: Alois Bernt
Heinrich von Freiberg mit Einleitungen über Stil, Sprache, Metrik, Quellen und die Persönlichkeit des Dichters
Niemeyer Halle 1906
13)
Hölzl Wien, S. 203, Z. 29
14)
Johann Fischart
Von S. Dominici Leben
Oberursel 1571
15)
Jakob Feucht
Epitome Postillae Feuchthianae maioris De Sanctis … Bd. 2
Sartorius, Ingolstadt 1585 S. 54
16)
Felix Bobertag (Hrsg.) Vierhundert Schwänke des sechzehnten Jahrhunderts Darmstadt 1964. 336, 32
17)
Johannes Lauremberg
Veer Scherzgedichte … In Nedderdüdisch gerymet, Dänemark 1652, Gedicht 4, 54
18)
Johann Friedrich Schütze
Holsteinisches Idiotikon: ein Beitrag zur Volkssittengeschichte. Villaume, Hamburg 1800 S. 44
19)
Wander: Deutsche Sprichwörter
20)
Norstedts svenska ordbok. Språkdata och Norstedts Akademiska Förlag, 2003, ISBN 91-7227-407-7 `apostlahästar´ S. 31
21)
Wander mit Verweis auf: Sprenger III; Harrebomée, I, 16.
22)
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 3. Leipzig 1873 Nr. 883
23)
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 3. Leipzig 1873 Nr. 883 > Harrebomée, II, 165b.
24)
Nathanael Duez
New corrigirte verbesserte und vermehrte Frantzösische grammatica
Johann Jacob Schmidt, Frankfurt 1692
25)
Johann Theodor Jablonski
Nouveau dictionnaire francois-allemand
1740
26)
Nic. di Castelli
Nuovo Dizionario Italiano-Tedesco, E Tedesco-Italiano, Oder Neues Italienisch-Deutsches und Deutsch-Italienisches Wörterbuch
M - Z, Band 2 Weidmann/Reich, 1782
27)
urn:nbn:de:bvb:19-epub-12826-1
28)
Erstbeleg in: Allan Ramsay
The Tea-Table Miscellany: Or, a Complete Collection of Scots Sangs, „Scornfu’ Nansy“ 1729.
29)
engl. „Markknochen“ > im Sinne von `markerschütternd´
30)
John Jamieson
Scottish Dictionary and Supplement: In Four Volumes. L-Zic, Band 2, Tail, 1841