Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


wiki:wanderradikalismus

Dies ist eine alte Version des Dokuments!


Wanderradikalismus

Wanderradikalismus ist ein von Gerd Theißen 1977 geprägtes Konzept, das die in der jüdischen und christlichen Überlieferung erwähnten mobilen Phänomene in einen Zusammenhang stellt, namentlich Heimatlosigkeit, Familiendistanz, Besitzkritik und Gewaltlosigkeit. Jene, die dieses Ethos praktisch verwirklichten, nennt Theißen Wandercharismatiker.

Im antiken jüdischen Raum scheint es bereits in vorchristlicher Zeit »Wandercharismatiker« gegeben zu haben und in der griechischen Kultur entwarfen die Kyniker mit der bactroperita einen philosophisch geprägten Lebensreisestil mit mönchsähnlichem Ethos, siehe die Wandermönche aller Epochen.

Unbestritten war Jesus mit seinen Aposteln immer unterwegs im jüdischen Raum, in Israel.
Ebenso unbestritten ist die Aussendung der 72 Jünger Apostel in alle Welt mit dem Auftrag zu missionieren, die also vorhandene Ansätze aufgriff.
Durch die Zwölfapostellehre belegt ist auch noch die Mobilität der folgenden Generation nach dem Tode der Jünger bis ins 2. Jahrhundert.
Das zugrundeliegende Vorbild, die „Lebensweise des Herrn“ zu leben, wurde jedoch schächer und die christlichen Gemeinden sandten keine Wanderapostel mehr aus. Die ecclesia peregrinans wurde zur stehenden Kirche und wurde nur noch phasenweise lebendig, durch

  • die irischen Wandermönchevom 6. bis zum 8. Jahrhundert;
  • die vita apostolica, insbesondere den Franziskanerorden, ab dem 12. Jahrhundert;
  • den Jesuitenorden, dessen Gründer Ignatius von Loyola (1491–1556) sich wiederholt als Pilger bezeichnet;
  • die kirchliche Missionsunternehmungen der Neuzeit, die von den Orden getragen wurden.

Insgesamt überwog jedoch das Mißtrauen gegenüber mobilen Lebensformen, siehe

Literatur

  • Ebner, Martin 1956-
    Jüngergemeinden und Wandercharismatiker
    Katholische Glaubensfibel 2004, pp. 111-114
  • Kuster, Niklaus 1962-.
    Wanderradikale und heimatlose Mönche:
    Wie eine bewegte Lebensform immer wieder sesshaft wird.
    Edith-Stein-Jahrbuch, vol. 9, 2003, pp. 46-81.
  • Kuhlmann, Helga
    Reisen. Fährten für eine Theologie unterwegs
    Münster Lit 2003 Interdisziplinäre Paderborner Untersuchungen zur Theologie, Bd. 1
  • Lohfink, Norbert
    Die Enkel der Wanderapostel.
    (1982). Online
  • Öhler, Markus 1967-
    Ausbildung von Strukturen: Die Zwölf, Wandercharismatiker, Jerusalemer Urgemeide und Apostel
    Jesus Handbuch 2017, pp. 526-533.
  • Burkhart Schneider (Hg.)
    Ignatius von Loyola, Der Bericht des Pilgers
    Freiburg/Basel/Wien 1956
  • Gerd Theißen
    Soziologie der Jesusbewegung
    Ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des Urchristentums.
    7. Aufl. Chr. Kaiser, Gütersloh 1997 (1. A. 1977) ISBN 3-579-05035-4
  • Theißen, Gerd 1943-
    Kynische und urchristliche Wandercharismatiker
    Zu W. Stegemann: „Hinterm Horizont geht's weiter“.
    Von Jesus zur urchristlichen Zeichenwelt 2011, pp. 101-116.
  • Walter, Peter
    Ecclesia peregrinans. Internationale katholische Zeitschrift Communio 47.5 (2018) 472-481.
  • August Wünsche (Hg.)
    Lehre der zwölf Apostel
    Nach der Ausgabe des Metropoliten Philotheos Bryennios ; mit Beifügung des Urtextes, nebst Einleitung und Noten. 34 S. Leipzig, 1884: Schulze
wiki/wanderradikalismus.1746508331.txt.gz · Zuletzt geändert: 2025/05/06 05:12 von norbert

Donate Powered by PHP Valid HTML5 Valid CSS Driven by DokuWiki