Pétrequin Pierre
Habitats lacustres néolithiques et perception du temps
In: Bulletin de la Société préhistorique française, tome 102, n°4, 2005. pp. 789-802. DOI : https://doi.org/10.3406/bspf.2005.13182
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Fahrzeuge entlasteten den Menschen vom Gepäck und ermöglichte den Transport größerer Lasten als dies zuvor mit dem Lasttier möglich war. Der Mensch hatte für sich als Gepäckträger bereits umfassende Tragetechniken entwickelt, die nun an Zugtiere und Wagenladung angepasst wurden. Idealtypisch vereinfacht wurden vor der Erfindung von selbstangetriebenen Fahrzeugen (Eisenbahn, Automobil) folgende Möglichkeiten häufig genutzt:
Transportmittel | Räder | Achsen | Antrieb | Konstruktionsprinzip |
---|---|---|---|---|
Stangenschleife | 0 | 0 | Mensch, Hund, Zugtiere | zwei lange Äste mit Querästen zu einem Dreieck gebunden |
Schlitten | 0 | 0 | Mensch, Hund, Zugtiere | zwei lange geformte Äste als Kufen unter einem Boot |
Schubkarre | 1 | 1 | Mensch | eine Stangenschleife mit einem Rad ein Korb mit Achsgabel, Rad und zwei Stangen |
Dreieckswagen | 2 | 1 | Mensch, Hund, Zugtiere | eine Stangenschleife mit einer Achse und zwei Rädern |
Karre | 2 | 1 | Mensch, Hund, Zugtiere | ein Behälter auf einer Achse mit zwei Rädern |
Wagen | 3 | 2 | Zugtiere | eine Stangenschleife auf zwei Achsen mit 3 Rädern |
Wagen | 4 | 2 | Zugtiere | ein Schlitten auf zwei Achsen mit 2×2 Rädern |
Die ältesten Funde von Wagenteilen und Zeichnungen von Wagen sowie Tonmodelle von Wagen finden sich um 3.500 vor Christus im nordwestlichen Europa, so etwa Räderspuren in einem Grab in Flintbek, Schleswig-Holstein. Zweirädrige Wagen mit kleinen Rädern um 50 cm Durchmesser wurden in bergigen Gebieten verwendet, vierrädrige Wagen mit großen Räden bis 80 cm Durchmesser in Steppengebieten. Technische Vorläufer waren Schlitten, die auf ein Fahrwerk mit Rädern gestellt wurden oder Stangenschleifen als Dreieckswagen auf zwei Rädern 1), die eventuell bereits früher verwendet wurden (3.700 v. Chr. )
Innerhalb von rund 300 Jahren verbreitete sich der Wagenbau rasant, wobei mit jedem Verbreitungsschritt Änderungen und Verbesserungen zu beobachten sind 2). Auch in den beiden anderen Zentren der Nutzung - in den russischen Steppen zwischen Karpaten und Kaukasus sowie zwischen Levante und Mesopotamien - diente das Rind als Zugtier; die Rinderhaltung ist in Argissa-Magula in Thessalien erstmals belegt.
Da sich viele Begriffe für Wagenbestandteile (Achse 3), Deichsel, Joch, Pflug, Rad 4) und Wagen) in fast allen indogermanischen Sprachen auf gleiche Wurzeln zurückführen lassen, datiert man das gemeinsame Urindogermanische auf denselben Zeitraum.
Der Wagenbau ist Teil der neolithischen Revolution: um 7.000 vor Christus begann der Ackerbau in Europa, gegen 3.000 war er überall in Europa verbreitet. Und er ist Teil der Steinzeit, denn die Bronzezeit begann in Europa erst um 2.200 vor Christus. Das Pferd kommt als Zugtier erst nach Erfindung des leichten zweirädrigen Streitwagens in Frage, und wurde um 2300 vor Christus in der Levante erstmals eingesetzt.
Der Hund ist das älteste *Zugtier, das der Mensch nutzte, entweder für eine Stangenschleife oder für den Schlitten. Die Domestikation des Hundes war bereits in der Jungsteinzeit vollzogen, lange bevor der Mensch seßhaft wurde und Ackerbau betrieb, und erfolgte in Mitteleuropa 5).
Jede Domestizierung veränderte auch den Menschen. Der Hund wurde Wächter und half beim Jagen. Wer Ziegen hält, muss den Beruf des Hirten erfinden. Der Esel ermöglicht es, Karren ziehen zu lassen und erweitert den Bewegungsradius. Mit dem Rind kamen Pflug und Wagen, aber auch die soziale Hierarchisierung. Mit dem Pferd und der Erfindung von Speichenrädern wurde der Streitwagen möglich, Kriege veränderten sich. Und mit dem Kamel ließen sich die Trockengebiete vom Atlantik bis nach Zentralasien erschließen. Dabei musste man das Zaumzeug erfinden, Packtaschen, Sättel, Zuggeschirr, das Joch und natürlich lernen mit den Tieren richtig umzugehen.
Die ältesten (Hirten-)götter der indogermanischen Völker nutzen jedoch Ziegenwagen: Hermes, Merkur, Pan u.a. 6) Es dürfte also eine archäologisch bisher nicht nachgewiesene Phase mit leichten zweirädrigen Wagen gegeben haben, die von Ziegen gezogen wurden 7). In Mitteleuropa ist die Ziege seit etwa 6.000 vor Christus domestiziert. Der Übergang von der nomadischen zur Ackerbaukultur erfolgte in Europa zwischen 7.000 und 4.000 v. Chr.
Von 3.500 vor bis etwa 1800 nach Christus wurde ein System optimiert, bestehend aus Fuhrmann, Fuhrwerk, Naturstraße und Zugtier. Dann führten Bevölkerungswachstum, Industrialisierung, Agrarrevolution zur Überlastung der Verkehrswege; Schienenwege und Kanäle boten nur begrenzt Ersatz. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die Transportmethoden revolutioniert. Die Dampfmaschine ermöglichte die Eisenbahn, die Feinmechanik das Fahrrad und der Verbrennungsmotor den Verzicht auf Zugtiere (»Auto«-mobil).
Der nachfolgende Systemwechsel erforderte grundlegende Innovationen: eiserne Achsen, andere Räder, bessere Bremsen, andere Lenksysteme, neue Antriebe, Schmierstoffe, anderer Straßenbau, Normierungen … Erstmals befasste man sich systematisch mit den dazu gehörigen Grundlagen 8) Die komplexen Vorgänge und Beziehungen beschreibt sehr ausführlich Edith Saurer
9); siehe auch die Zeitleiste in * Geländefahrzeuge.
Bauwagen, Jagdwagen, Schäferkarren und Schlupfkarren, Zigeunerwagen, Zirkuswagen usw. werden auch heute noch nach historischen Vorbildern gebaut und können auch eine Straßenzulassung erhalten.
Rätselhaft erscheint, weshalb sich keine vergleichbare Entwicklung in der übrigen Welt finden lässt: in beiden Amerikas, in Australien, Afrika außerhalb Ägyptens und in Ostasien. Die üblichen Erklärungsansätze klären jedoch nicht die Widersprüche:
Vollständig erklären ließe sich dies vermutlich über die Analyse soziotechnischer Systeme, also zusammen mit Mensch und Kultur. Es scheint, dass bestehende »Tragekulturen« keinen Raum boten für technische Innovationen.
Zweirädrige Karren und vierrädrige Wagen zählen zu den Fuhrwerken. Mit der Verbreitung des selbstangetriebenen Wagens im 20. Jahrhundert verdrängte der Begriff »Automobil« - oft verkürzt als »Auto« (gr. `selbst´) oder »Machina« - ältere Begriffe in vielen Sprachen.
`Wagen´ (veraltetes engl. wain) und `Vehikel´ (veraltendes frz. voiture) lassen sich zurückführen auf die indogermanische Wurzel u̯eĝh-, also `bewegen, ziehen, fahren ´.
`Karre´ dagegen führt wie car (engl.), char (frz.) über carrus (lat.) auf k̂ers-2, also `laufen´.
Darin spiegelt sich das schnellere Schieben des leichteren Karrens im Vergleich zum gezogenen Wagen.
Das türkische arabá bezeichnet alle Arten von Karren und Wagen; im arabischen heißt es gleichlautend عربة (يد) ʕaraba(t jad). Als Wanderwort verbreitete sich araba im gesamten persisch-osmanisch-arabischen Raum, bis Rumänien und auf den Balkan 11).
Es wird auch aus dem Indoarischen `ratha-´ (Rad) abgeleitet 12). Dafür spricht auch das persische areba, `Mühlrad´ 13).
Derselbe Zusammenhang ergibt sich am Beispiel des Turms im Schachspiel (engl. rook). Dieser Turm war ursprünglich ein Streitwagen (indisch `ratha´> indogermanisch ret(h)-, daraus wurde persisches Rukh. Persisches Rukh ist synonym zu arabischem araba 14).
«Ein Araba ist ein inländisches Fuhrwerk, das viel von Frauen benutzt wird, da es leicht acht bis zehn Personen aufnimmt. An Gestalt ist es ein Mittelding zwischen einem char-à-banc und einem Wagen, ist aber ohne Federn. Es ist allgemein sehr bunt decorirt und bemalt, und inwendig sehr comfortabel gepolstert. Bedacht ist es mit einem dicken rothen, grünen oder blauen Tuche mit goldenen Franzen. Die weißen Ochsen, die die Wagen ziehen, sind im Allgemeinen sehr schöne Geschöpfe, auch brillant geschmückt mit rothem Geschirr und Troddeln, und die Stirne ist ihnen zuweilen mit hellem Roth oder Blau bemalt.« Annie Jane Harvey Türkische Harems & circassische Heimath Schlicke, Leipzig 1872 S. 35
Technisch ist die Karre ein einachsiges Fahrzeug mit einem oder zwei Rädern, der Wagen jedoch mehrachsig mit mindestens drei Rädern. Meist wurden Karre und Wagen von einem Zugtier gezogen; erst ab etwa 1900 wurden Zugtiere vom Automobil abgelöst.
Kulturell dagegen bezeichnet `Karre´ abschätzig den einfachsten Lastentransport. `Kutsche´ bezeichnet aufwertend den Personentransport. Bis heute werden auch Automobile umgangssprachlich (aber sachlich falsch) eher abwertend als Karre und eher aufwertend als Kutsche bezeichnet oder noch nobler als Karosse.
`Wagen´ blieb neutral und allgemein ein `Fahrzeug´. Seit Erfindung der Eisenbahn im 19. Jahrhundert bezeichnet `wagon´ in etlichen Sprachen den Eisenbahnwagen.
Alle Fahrzeuge gibt es in zahlreichen Varianten. In dieser Tabelle liegt das Augenmerk nicht auf den technischen Varianten sondern auf den sprachlichen Gemeinsamkeiten.
Sprache | Karre | Wagen | Kraftwagen | |
---|---|---|---|---|
Dänisch | dansk | Trækvogne | vogn | bil |
Deutsch | german | Karre | Wagen | Automobil |
Englisch | english | cart, car | Wagon, wain | auto |
Englisch (US) | english | car | Wagon | automobile |
Isländisch | islenskur | kärra | vagn | Bifreið, bíll |
Niederländisch | nederlands | Karre | wagen | automobiel |
Norwegisch | norsk | kjerre | vogn | bil |
Schwedisch | svenska | kärra | vagn | bil |
Französisch | français | char, chariot | voiture | voiture légère automobile |
Italienisch | italiano | carro | vettura | machina L'autovettura |
Spanisch | espaniol català | Carreta coche | Vagon | automóvil |
Portugiesisch | português | carro | veículo | Automóvel |
Rumänisch | română | căruță | vehicul trăsură | Automobilul mașină |
Albanisch | shqip | qerre karroca | vagonë | Automobil makina |
Bosnisch | bosanski | kola | vagon | Automobil |
Bulgarisch | balgarski | Каруца kola кола | Vagon вагон | Avtomobil автомобил |
Kroatisch | hrvatski | samovoz, kola | vagon | Automobil |
Polnisch | polski | samochod | Wagon, Karoca | auto |
Russisch | russky | Повозка тележка | Vagon вагон | Mašina машина |
Serbisch | srbija | kola кола | Vagon вагон | Аутомобил |
Slowenisch | slovenščina | Samo, samodejno | vagon | Avtomobíl |
Tschechisch | cesky | vůz | vozidlo | Automobil |
Estnisch | eesti | puhkeküla | Tõld | automobiil |
Lettisch | latviešu | Ratiņu | vagonus | Automašīna |
Litauisch | lietuvių | vežimėlis | vagonų | automobilių |
Finnisch | suomi | kärry | Vaunu | auto |
Ungarisch | magyar | csotrogány | hintó, kocsi | autó |
Arabisch | al-luġatu l-ʿarabiyya | ' araba | ' araba | sayyāra |
Persisch | fārsī | gāri گاری | kāleske-je کالسکه | otomobil |
Griechisch | Νέα Ελληνικά | Amáxi αμάξι | Ámaxa άμαξα | autokineto αυτοκίνητο |
Türkisch | türkce | araba | burç | Otomobil |
Baskisch | euskara | berebil | kotxe | Automobila |
Esperanto | esperanto | ĉaro | vagono | Aŭto |
Lateinisch | latina | carrus | vehiculum, plaustrum | Autocinetum |
H. Köpp
Reisen in Prädynastischer Zeit und Frühzeit
In: E.-M. Engel/V. Müller/U. Hartung
Zeichen aus dem Sand.
Streiflichter aus Ägyptens Geschichte zu Ehren von Günter Dreyer (Wiesbaden 2008) 401-412
H. Köpp
Weibliche Mobilität im Alten Ägypten. Frauen in Sänften und auf Streitwagen
In: Miscellanea in honorem Wolfhart Westendorf
Göttinger Miszellen Beiheft 3 (Göttingen 2008) 34-44
H. Köpp
Desert travel and transport in ancient Egypt
An overview based on epigraphic, pictorial and archaeological evidence
In: F. Förster/H. Riemer (eds.)
Desert Road Archaeology in Ancient Egypt and Beyond
Africa Praehistorica 27 (Köln 2013) 103-127
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Rad und Wagen. Der Ursprung einer Innovation
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M. Mainberger
„Rätselhafte Holzobjekte“ des Pfahlbauneolithikums
Ein Transportgerätetyp vor der Erfindung von Rad und Wagen?
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Millennium Funerary Customs of the Jutland Peninsula: Regional Evidence and European Context
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Archaische Wagen in Vorderasien und Indien
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Reimer Verlag 2017, 352 Seiten
V.A. Novozhenov
Communications and Earliest Wheeled Transport of Eurasia
Moscow 2012
Pierre Pétrequin, Rose-Marie Arbogast, Amandine Viellet, Anne-marie Pétrequin, Denis Maréchal
Eine neolithische Stangenschleife vom Ende des 31. Jhs. v. Chr. in Chalain (Fontenu, Jura, Frankreich).
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Schleife, Schlitten, Rad und Wagen: zur Frage früher Transportmittel nördlich der Alpen
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Urgeschichtliche Wagen in Mitteleuropa
Eine archäologische und religionswissenschaftliche Untersuchung neolithischer bis hallstattzeitlicher Befunde
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Anton Heimes
Vom Saumpferd zur Transportindustrie. Weg und Bedeutung des Straßengüterverkehrs in der Geschichte
Kirschbaum Verlag Boad Godesberg 1978, 320 S.
Peter Goebel
Zucker für den Esel. Geschichte der Güterbeförderung vom Neandertal bis Hellas
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Tünde Horváth
Die Anfänge des kontinentalen Transportwesens und seine Auswirkungen auf die Bolerázer und Badener Kulturen.
Archaeopress Gordon House 276 Banbury Road Oxford OX2 7ED
www.archaeopress.com, Archaeopress Open Access 2015, ISBN 978 1 78491 083 9 (e-Pdf)
Laszlo Tarr
Karren, Kutsche, Karosse. Eine Geschichte des Wagens
BLV München 1970, 349 S.
siehe auch:
Hauptbaugruppen
Karosserie
Fachliteratur
Straße
Wagendorf
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Pétrequin Pierre
Florian Klimscha
Corrie Bakels
Stefanie Leisentritt
E. Kröncke
Edith Saurer
Pitulko, Vladimir V.; Kasparov, Aleksey K.
Jahanshah Derakhshani
Freiherr Hammer-Purgstall
Remke Kruk
Murray, H. J. R.