Benutzer-Werkzeuge

Webseiten-Werkzeuge


wiki:reisen_nach_dem_zweiten_weltkrieg

Unterschiede

Hier werden die Unterschiede zwischen zwei Versionen der Seite angezeigt.

Link zu der Vergleichsansicht

Beide Seiten, vorherige ÜberarbeitungVorherige Überarbeitung
Nächste Überarbeitung
Vorherige Überarbeitung
wiki:reisen_nach_dem_zweiten_weltkrieg [2022/01/12 14:45] norbertwiki:reisen_nach_dem_zweiten_weltkrieg [2024/04/07 06:26] (aktuell) – [Auswandern und verdrängen] norbert
Zeile 25: Zeile 25:
    
 ==== Trümmerliteratur und Reporter ==== ==== Trümmerliteratur und Reporter ====
-Den allierten Truppen folgten die Kriegsberichterstatter und Reporter, bald auch die ersten Schriftsteller. Sie berichteten über Menschen, Städte, Länder, was sie sahen und fühlten. ''Elisabeth Wiskemann'' schreibt: //"Um die Erlaubnis zu erhalten, Anfang Oktober 1945 von London aus nach Italien zu fahren, mußte ich mir eine Khaki-Uniform zulegen. Die alliierte Militärregierung betrachtete einen akkreditierten Journalisten als Offizier und teilte ihm (oder ihr) Militärrationen zu, die zwar nicht sehr appetitlich waren, in Anbetracht der Knappheit und der entsprechend hohen Preise aber trotzdem willkommen."// +Den allierten Truppen folgten die Kriegsberichterstatter und Reporter, bald auch die ersten Schriftsteller. Sie berichteten über Menschen, Städte, Länder, was sie sahen und fühlten. ''Elisabeth Wiskemann'' schreibt: //"Um die Erlaubnis zu erhalten, Anfang Oktober 1945 von London aus nach Italien zu fahren, mußte ich mir eine [[wiki:khaki|Khaki]]-Uniform zulegen. Die alliierte Militärregierung betrachtete einen akkreditierten Journalisten als Offizier und teilte ihm (oder ihr) Militärrationen zu, die zwar nicht sehr appetitlich waren, in Anbetracht der Knappheit und der entsprechend hohen Preise aber trotzdem willkommen."// 
  
 Doch der Umfang der "Trümmerliteratur" ist gering. Einem der wenigen Berichte verdanken wir die Beschreibung einer Eisenbahnfahrt im Herbst 1947. ''Stig Dagermann'' trifft einen sechzehnjährigen Jungen im ausgemusterten Soldatenrock, der aus der russisch besetzten Zone geflohen ist und nach Amerika will. Dagermann gibt ihm Geld für einen Fahrschein nach Hamburg. //"Andere deutsche Züge sind auch tagsüber dunkel, weil man vor die leeren Fensterhöhlen Holzplatten genagelt hat. Wenn man es hell haben möchte, kann man in Abteilen sitzen, wo es keine Platten gibt, aber dort ist es kälter, und es regnet hinein. Eifrige unsichtbare Hände schieben einen in dieses nächtliche Abteil. Im Dunkeln spielen sich kleine, aber verbitterte wortlose Handgemenge ab, getretene Kinder schreien, zahllose Füße schieben die sperrigen Säcke der Flüchtlinge zur Seite. Das dunkle Abteil ist voll, doch es kann noch voller werden. Nicht zu glauben, wie viele Menschen auf diesen paar Quadratmetern Platz haben. Erst als es so voll ist, daß es weh tut, wird die Tür geschlossen, im ganzen Zug hört man das Zuschlagen von Türen und die verzweifelten Stimmen jener, die zu spät gekommen sind und noch eine Nacht in den Ruinen dieser Stadt verbringen müssen, statt in andere zu kommen. Wir stehen in einem Abteil für acht Personen, aber wir sind fünfundzwanzig. Fünfundzwanzig in einem Abteil für acht, was heißt, daß es keine Rolle spielt, ob die Heizung eingeschaltet ist. Schon bevor sich der Zug in Bewegung setzt, rinnt einem der Schweiß herunter. Platz für zwei Füße hat man nicht, man muß auf einem Fuß stehen, fällt aber trotzdem nicht um, man bräuchte zum Stehen überhaupt keinen Fuß und fiele trotzdem nicht um, weil man zwischen anderen schwitzenden Körpern festsitzt wie in einem Schraubstock.... gegen Morgen hält der Zug auf einem großen, leeren hellerleuchteten Bahnhof.... Paßkontrolle, Gepäckkontrolle. Alle Reisenden haben den Zug mit Gepäck und allem zu verlassen. Nach einiger Wartezeit auf dem Bahnhof von Eichenberg, der Grenzstation zwischen dem deutschen England und dem deutschen Amerika, erscheinen einige lange amerikanische Soldaten. Sie kauen Kaugummi, gehen umher und kicken gegen Koffer und prüfen Ausweise. Gerhard ist nervös, er hat seinen Paß leicht verändert und sich als Landarbeiter statt als Mechaniker bezeichnet, um die Russen zu täuschen, aber alles geht gut.... Noch bevor es richtig hell ist, spielen sich auf den Unterwegsbahnhöfen dramatische Szenen ab. Der Zug ist schließlich nach wie vor überfüllt, auf diesen Bahnhöfen aber stehen verzweifelte Menschen, die ein ebenso großes Recht zu reisen haben wie wir. Eine verzweifelte Frau läuft von Abteilfenster zu Abteilfenster und schreit, sie müsse zu einem Sterbefall, aber noch nicht einmal, wer zu einem Sterbefall muß, kommt in diesen Zug, es sei denn, er hätte genug Kraft, sich hineinzuzwängen. Ein großer kräftiger Mann drängt sich in unser Abteil, er boxt mit einem in der Türöffnung Stehenden, und er boxt besser, und auf diese Weise, die einzige Weise, kommt er herein.... Ein wenig später stampfen frierende Füße auf dem Dach, ja, sogar auf dem Dach reist man schon.... In der Lüneburger Heide fällt der erste Schnee dieses Herbstes, und die Menschen kommen vom Dach und von den Puffern und flehen, hereinkommen zu dürfen, sie sind weiß wie Baumwolle.... Als wir uns Hamburg nähern, wird Gerhard nervös. Er glaubt nicht mehr an Amerika.... Er weiß, es gibt keine Schiffe, aber eingestanden hat er sich das noch nicht."//  Doch der Umfang der "Trümmerliteratur" ist gering. Einem der wenigen Berichte verdanken wir die Beschreibung einer Eisenbahnfahrt im Herbst 1947. ''Stig Dagermann'' trifft einen sechzehnjährigen Jungen im ausgemusterten Soldatenrock, der aus der russisch besetzten Zone geflohen ist und nach Amerika will. Dagermann gibt ihm Geld für einen Fahrschein nach Hamburg. //"Andere deutsche Züge sind auch tagsüber dunkel, weil man vor die leeren Fensterhöhlen Holzplatten genagelt hat. Wenn man es hell haben möchte, kann man in Abteilen sitzen, wo es keine Platten gibt, aber dort ist es kälter, und es regnet hinein. Eifrige unsichtbare Hände schieben einen in dieses nächtliche Abteil. Im Dunkeln spielen sich kleine, aber verbitterte wortlose Handgemenge ab, getretene Kinder schreien, zahllose Füße schieben die sperrigen Säcke der Flüchtlinge zur Seite. Das dunkle Abteil ist voll, doch es kann noch voller werden. Nicht zu glauben, wie viele Menschen auf diesen paar Quadratmetern Platz haben. Erst als es so voll ist, daß es weh tut, wird die Tür geschlossen, im ganzen Zug hört man das Zuschlagen von Türen und die verzweifelten Stimmen jener, die zu spät gekommen sind und noch eine Nacht in den Ruinen dieser Stadt verbringen müssen, statt in andere zu kommen. Wir stehen in einem Abteil für acht Personen, aber wir sind fünfundzwanzig. Fünfundzwanzig in einem Abteil für acht, was heißt, daß es keine Rolle spielt, ob die Heizung eingeschaltet ist. Schon bevor sich der Zug in Bewegung setzt, rinnt einem der Schweiß herunter. Platz für zwei Füße hat man nicht, man muß auf einem Fuß stehen, fällt aber trotzdem nicht um, man bräuchte zum Stehen überhaupt keinen Fuß und fiele trotzdem nicht um, weil man zwischen anderen schwitzenden Körpern festsitzt wie in einem Schraubstock.... gegen Morgen hält der Zug auf einem großen, leeren hellerleuchteten Bahnhof.... Paßkontrolle, Gepäckkontrolle. Alle Reisenden haben den Zug mit Gepäck und allem zu verlassen. Nach einiger Wartezeit auf dem Bahnhof von Eichenberg, der Grenzstation zwischen dem deutschen England und dem deutschen Amerika, erscheinen einige lange amerikanische Soldaten. Sie kauen Kaugummi, gehen umher und kicken gegen Koffer und prüfen Ausweise. Gerhard ist nervös, er hat seinen Paß leicht verändert und sich als Landarbeiter statt als Mechaniker bezeichnet, um die Russen zu täuschen, aber alles geht gut.... Noch bevor es richtig hell ist, spielen sich auf den Unterwegsbahnhöfen dramatische Szenen ab. Der Zug ist schließlich nach wie vor überfüllt, auf diesen Bahnhöfen aber stehen verzweifelte Menschen, die ein ebenso großes Recht zu reisen haben wie wir. Eine verzweifelte Frau läuft von Abteilfenster zu Abteilfenster und schreit, sie müsse zu einem Sterbefall, aber noch nicht einmal, wer zu einem Sterbefall muß, kommt in diesen Zug, es sei denn, er hätte genug Kraft, sich hineinzuzwängen. Ein großer kräftiger Mann drängt sich in unser Abteil, er boxt mit einem in der Türöffnung Stehenden, und er boxt besser, und auf diese Weise, die einzige Weise, kommt er herein.... Ein wenig später stampfen frierende Füße auf dem Dach, ja, sogar auf dem Dach reist man schon.... In der Lüneburger Heide fällt der erste Schnee dieses Herbstes, und die Menschen kommen vom Dach und von den Puffern und flehen, hereinkommen zu dürfen, sie sind weiß wie Baumwolle.... Als wir uns Hamburg nähern, wird Gerhard nervös. Er glaubt nicht mehr an Amerika.... Er weiß, es gibt keine Schiffe, aber eingestanden hat er sich das noch nicht."// 
Zeile 32: Zeile 32:
    
 ==== Auswandern und verdrängen ==== ==== Auswandern und verdrängen ====
-Die Verhältnisse in Deutschland waren so, daß viele Menschen auswandern wollten. //"Europamüde stehen Schlange"// titelte der //Spiegel// einen Beitrag am 22.3.1947, doch Deutschen ist dieser Weg noch versperrt. +Die Verhältnisse in Deutschland waren so, daß viele Menschen [[wiki:liste_ausstellungen#Auswanderer |auswandern]] wollten. //"Europamüde stehen Schlange"// titelte der //Spiegel// einen Beitrag am 22.3.1947, doch Deutschen ist dieser Weg noch versperrt. 
  
 Der Spiegel schrieb am 18.1.1947: //"Die Winterkurorte an der südfranzösischen Küste... bemühen sich, die Spuren der Kämpfe... zu verwischen. Auch hier räumen vor den großen Hotels die militärischen Posten den Platz, und goldbetreßte Portiers nehmen ihre Stelle wieder ein....Es wurde beschlossen, die noch beschlagnahmten Hotels beschleunigt den Eigentümern zurückzugeben.... Die Holländer... haben von den rund 100000 Hotelbetten, über die Holland verfügte, jetzt fast drei Viertel wieder hergerichtet und hoffen, daß die Schlachtfelder von Nymwegen und Arnheim fürs erste genug Anziehungskraft besitzen. Einen Fremdenzustrom sondergleichen erlebt zur Zeit die Schweiz.... vor allem von Engländern und Amerikanern."//  Der Spiegel schrieb am 18.1.1947: //"Die Winterkurorte an der südfranzösischen Küste... bemühen sich, die Spuren der Kämpfe... zu verwischen. Auch hier räumen vor den großen Hotels die militärischen Posten den Platz, und goldbetreßte Portiers nehmen ihre Stelle wieder ein....Es wurde beschlossen, die noch beschlagnahmten Hotels beschleunigt den Eigentümern zurückzugeben.... Die Holländer... haben von den rund 100000 Hotelbetten, über die Holland verfügte, jetzt fast drei Viertel wieder hergerichtet und hoffen, daß die Schlachtfelder von Nymwegen und Arnheim fürs erste genug Anziehungskraft besitzen. Einen Fremdenzustrom sondergleichen erlebt zur Zeit die Schweiz.... vor allem von Engländern und Amerikanern."// 
wiki/reisen_nach_dem_zweiten_weltkrieg.1641998718.txt.gz · Zuletzt geändert: 2022/01/12 14:45 von norbert

Donate Powered by PHP Valid HTML5 Valid CSS Driven by DokuWiki