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Kutschen
Die Kutsche gehört zu den Fuhrwerken als ein gezogener Wagen zur Personenbeförderung. Anders als bei Lastwagen setzt dies beim Wagenbau eine Federung voraus und erhöhte Anforderungen an die Fahrbahn. Sowohl die technischen Fähigkeiten zur Herstellung von Reisewagen 1) als auch ein zentrales Kurierwesen (cursus publicus) sowie eine zentrale Verwaltung mit Wechselstationen und Rastplätzen waren zwar in der römischen Antike vorhanden, gingen jedoch verloren. Zu Beginn der Neuzeit entstand langsam wieder ein Kutschenverkehr, dieser erforderte jedoch:
- die Erfindung bzw. Optimierung der Federung und geländegängige Fahrzeuge für die schlechten Pisten;
- der Aufbau eines internationalen Postwesens mit Linien (»Postkurs«), insbesondere durch den Deutschen Orden und durch Thurn & Taxis;
- den Bedarf einer großräumigen Personenbeförderung zahlender Passagiere;
- ein System von Rast-/Beherbergungsplätzen mit Versorgungsmöglichkeiten.
Die Zeitleiste Verkehrstechnik für das Reisen und Fahren im Gelände zeigt, wie aus der voll entwickelten Kutsche schrittweise das Automobil entstand. Viele Bezeichnungen für Fahrzeuggrundtypen übernahmen Begriffe der Kutschenzeit, wie etwa das Coupé.
Der Begriff (Post-)Kutschenzeit wird heute entweder romantisierend verwendet oder im Sinne von veraltet, Technik von gestern, ein schlechter technischer Zustand. Beide Sichtweisen halten der Wirklichkeit nicht stand. Für die unterschiedlichen Bedürfnisse wurden zahlreiche Bauformen von Kutschen entwickelt wie die Berline, Chaise, Droschke, Einspänner, Fiaker, Karosse, Kalesche, Omnibus, Phaethon, Tonneau, Landauer, Landaulette, Lastwagen … siehe auch die Liste der internationalen Begriffe für Karre, Wagen, Automobil.
Etymologisch beginnt die Kutschenzeit im 15. Jahrhundert mit der verkürzten Übernahme des Wortes `kocsi szekér´ aus dem Ungarischen, also dem `Wagen aus Kocs´ 2), weil die technische Bauform mit gefedertem Aufbau neu und dafür keine adäquate andere Bezeichnung zuhanden war 3). So erlebt der russische Gesandte Sigmund von Herberstein
am 20. April 1518 »eine gar bequeme fuer« mit den Kotzschi Wägnen. Die meisten europäischen Sprachen verwenden daraus abgeleitete Begriffe: italienish cocchio, niederländisch Koets, französisch coche, englisch coach usw., dass dann auf den Kutscher übertragen wurde als denjenigem, der die Pferde »kutschengängig« machte, neudeutsch »coachte« (engl. to coach a horse).
Als engeren terminus technicus könnte man die Kutschenzeit definieren zwischen der Einführung der Postkutsche nach 1648 und endend mit der Fahrt des Eisernen Gustav
nach Paris 1928 (siehe Droschke).
Beyrer, Klaus
Die Postkutschenreise.
Zugl. Diss. Univ. Tübingen 1984. Tübingen 1985.Brodhäcker, Karl
Hoch auf dem gelben Wagen.
Geschichten und Geschichte, Anekdoten und Gedichte aus der oberhessischen Postkutschenzeit.
Ein Sachbuch mit Lachfältchen.
136 S., Giessen 1985: Brühlscher Verlag.Gerteis, Klaus
Das „Postkutschenzeitalter“.
Bedingungen der Kommunikation im 18. Jahrhundert.
In: Aufklärung 4 (1989) H. 1, S. 55–78Griep, Wolfgang
Vom Reisen in der Kutschenzeit
Ausstellung der Eutiner Landesbibliothek, 24. November 1989 - 31. August 1990.
Heide in Holstein 1989: Westholsteinische Verl.-Anst. Boyens.Griep, Wolfgang
Allzeit Rad- und Rippenbruch.
Auf mörderischen Wegen durch Schleswig-Holstein zur Kutschenzeit.
48 S., Eutiner Landesbibliothek 2020Krebs, Rudolf
Fünf Jahrtausende Radfahrzeuge
Zwei Jahrhunderte Strassenverkehr mit Wärmeenergie. Über 100 Jahre Automobile.
XVI, 450 S. Berlin 1994: Springer-Verlag.Schumacher, Horst
Aus der Postkutschenzeit. Sammlung Schumacher.
Ausstellungskatalog 48 S., Duisburg Niederrhein. Museum 1974Mansfeld
Neue und vollkomene Postkarte durch ganz Teutschland nach Italien, Franckreich, Niederland, Preussen, Polen und Ungarn
[C.P.S.C.M.] 1 Karte im Kupferdruck 57 x 82 cm. etwa 1:2.100.000
Wien: Artaria Compagnie 1788