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wiki:grenze_zwischen_leben_und_tod

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wiki:grenze_zwischen_leben_und_tod [2021/08/03 07:11] – [Das Selbst und die Fremde] norbertwiki:grenze_zwischen_leben_und_tod [2023/09/09 04:59] norbert
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 Natürlich ist der Bericht so reduziert, weil er dazu dienen sollte anzuklagen. Doch so sehr damals der Fall Frankreichs Öffentlichkeit beschäftigte, so wenig wurden angemessene Konsequenzen gezogen. Nun war der »Augenzeuge« kein Unbeteiligter. Er ist als Opfer zu sehen, weil er auf dem Floß landete und als Täter, weil er nicht zufällig die anderen 135 überlebte. Als Autor ist sein Bericht daher auch eine Rechtfertigung. Dabei wären in den 12 Tagen Dutzende von Handlungsalternativen möglich gewesen. Etwa: Man kann in 12 Tagen nicht verhungern, also war der Kannibalismus objektiv unnötig. Zu behaupten, daß sich die Betroffenen animalisch verhalten hätten, träfe nicht zu: Tiere hätten sich das nicht angetan. Natürlich ist der Bericht so reduziert, weil er dazu dienen sollte anzuklagen. Doch so sehr damals der Fall Frankreichs Öffentlichkeit beschäftigte, so wenig wurden angemessene Konsequenzen gezogen. Nun war der »Augenzeuge« kein Unbeteiligter. Er ist als Opfer zu sehen, weil er auf dem Floß landete und als Täter, weil er nicht zufällig die anderen 135 überlebte. Als Autor ist sein Bericht daher auch eine Rechtfertigung. Dabei wären in den 12 Tagen Dutzende von Handlungsalternativen möglich gewesen. Etwa: Man kann in 12 Tagen nicht verhungern, also war der Kannibalismus objektiv unnötig. Zu behaupten, daß sich die Betroffenen animalisch verhalten hätten, träfe nicht zu: Tiere hätten sich das nicht angetan.
  
-Doch die Geschehnisse sind nicht aus der Gefahrensituation alleine zu erklären und nicht aus dem Versagen Einzelner, sondern zum einen durch das Versagen der Hierarchie, also der Autoritäten an Bord und zum anderen durch die Einstellung der Opfer, durch das Versagen des Verstandes. Beides läßt sich als Folge gesellschaftlicher Zustände im damaligen Frankreich verstehen: Hoffnungslosigkeit und Gewalt als Mittel der Wahl. Diese Zutaten gibt es auch heute noch, man werfe einen Blick in die Nachrichten.+Doch die Geschehnisse sind nicht aus der Gefahrensituation alleine zu erklären und nicht aus dem Versagen [[wiki:einzelne|Einzelner]], sondern zum einen durch das Versagen der Hierarchie, also der Autoritäten an Bord und zum anderen durch die Einstellung der Opfer, durch das Versagen des Verstandes. Beides läßt sich als Folge gesellschaftlicher Zustände im damaligen Frankreich verstehen: Hoffnungslosigkeit und Gewalt als Mittel der Wahl. Diese Zutaten gibt es auch heute noch, man werfe einen Blick in die Nachrichten.
  
 ==== Freies Geleit für Touristen? ==== ==== Freies Geleit für Touristen? ====
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 Paradox ist es doch, daß, wer mit seinem Geld haushaltet, nach Südostasien fährt, weil ein Urlaub vor der Haustüre zu teuer ist: //»Bleibe hier, wer kann«// wird zum exklusiven Vergnügen. Paradox ist es doch, daß, wer mit seinem Geld haushaltet, nach Südostasien fährt, weil ein Urlaub vor der Haustüre zu teuer ist: //»Bleibe hier, wer kann«// wird zum exklusiven Vergnügen.
  
-Äußerst bemerkenswert ist es, daß Touristenströme (nicht Einzelreisende!) freies Geleit haben, selbst dort, wo besonders autoritär regiert wird. Weshalb sind besonders »starke Regime« vom Tourismus bevorzugt: Malediven, Kuba, Burma …? Ob Tal der Könige, senegalesischer Robinson-Club oder Nepal-Trekking durch von Maoisten beherrschte Gebiete: Touristen haben als Gruppe eine green card: »wenn wir unseren Körper in der Weltgeschichte spazierenführen, verlangen wir auch, daß wir unsere Haut sicher wieder nach Hause bringen. Wieso eigentlich?« Im antiken Griechenland war der Gast und Reisende heilig, weil er Nachrichten und Botschaften von außen transportierte, er war der //Angelos//.+Äußerst bemerkenswert ist es, daß Touristenströme (nicht [[wiki:einzelne|Einzelreisende]]!) [[wiki:geleitswesen|freies Geleit]] haben, selbst dort, wo besonders autoritär regiert wird. Weshalb sind besonders »starke Regime« vom Tourismus bevorzugt: Malediven, Kuba, Burma …? Ob Tal der Könige, senegalesischer Robinson-Club oder Nepal-Trekking durch von Maoisten beherrschte Gebiete: Touristen haben als Gruppe eine green card: »wenn wir unseren Körper in der Weltgeschichte spazierenführen, verlangen wir auch, daß wir unsere Haut sicher wieder nach Hause bringen. Wieso eigentlich?« Im antiken Griechenland war der Gast und Reisende heilig, weil er Nachrichten und Botschaften von außen transportierte, er war der //Angelos//.
  
 Manchmal wurde er allerdings auch enthauptet, weil es kein besseres Opfer gab als solch einen heiligen Angelos. Der westliche Tourist reist heute naiv und arrogant und hat vollstes Zutrauen, daß ihm alles zu Füßen liegt. Skandalös ist es, wenn ihm etwas widerfährt, also ein Aufmacher für die Nachrichten. Terroristen tarnen sich als Touristen. Terroristen leben davon, »skandalöse Zustände« zu inszenieren. //»Sollte irgendetwas schiefgehen, findet man sich alsbald als Passagier eines Militärhubschraubers wieder oder als Gast …, um gemeinsam mit lokalen Machthabern, Diplomaten und Spezialagenten im Foyer des Hilton … das Glas zu erheben. Diese Art von logistischem Support geht den Nomaden der Wüste für gewöhnlich ab, wenn sie sich in den Wirren des zivilen Europa durchschlagen.«// Manchmal wurde er allerdings auch enthauptet, weil es kein besseres Opfer gab als solch einen heiligen Angelos. Der westliche Tourist reist heute naiv und arrogant und hat vollstes Zutrauen, daß ihm alles zu Füßen liegt. Skandalös ist es, wenn ihm etwas widerfährt, also ein Aufmacher für die Nachrichten. Terroristen tarnen sich als Touristen. Terroristen leben davon, »skandalöse Zustände« zu inszenieren. //»Sollte irgendetwas schiefgehen, findet man sich alsbald als Passagier eines Militärhubschraubers wieder oder als Gast …, um gemeinsam mit lokalen Machthabern, Diplomaten und Spezialagenten im Foyer des Hilton … das Glas zu erheben. Diese Art von logistischem Support geht den Nomaden der Wüste für gewöhnlich ab, wenn sie sich in den Wirren des zivilen Europa durchschlagen.«//
wiki/grenze_zwischen_leben_und_tod.txt · Zuletzt geändert: 2024/04/29 03:50 von norbert

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