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wiki:fussreisen

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   „Du kannst nicht auf dem Pfad gehen, bevor du nicht Pfad geworden bist.“ (Buddha)     „Du kannst nicht auf dem Pfad gehen, bevor du nicht Pfad geworden bist.“ (Buddha)  
  
-Wer sich tief in die Wildnis verirrt, ist diesem Zustand am nächsten - er muß sich verlieren, um seinen Weg gestalten zu können. Der kürzeste Weg in der Wildnis führt durch Schluchten und Wasserläufe, endet an Abbrüchen oder im Sumpf. Der kürzeste Weg ist meist ein kraftraubender, falscher. Den richtigen Weg zu kreieren, das ist die Kunst. Sie erfordert ein tiefes Verständnis der Natur und der eigenen Möglichkeiten. Ein solcher Weg sucht die Höhe, aber nicht den Gipfel, weicht Schwierigkeiten aus. Scheinbar sinnlose Kehren ermöglichen einen steten Gang. Der richtige Weg ist ein Weg der kleinsten Mühen. Die Wege der ersten Fußreisenden bestimmen noch heute die Welt des Menschen: Kreuzungen waren heilig - Wegkreuze wurden bis in die Gegenwart errichtet. Wo sich Wege kreuzten, entstanden Handelsniederlassungen, Dörfer, Städte. Wo niemand ausweichen konnte, entstanden Burgen, wurde Zoll erhoben. Ganze Länder kann beherrschen, wer die ein, zwei wichtigsten Straßen kontrolliert (Afghanistan). Die frühen Fußwege wurden Mensch und Umwelt in einem solchen Maße gerecht, daß sie oftmals kaum verändert bis heute existieren. Hier wurde der Belag ausgewechselt, dort verkürzten Brücken oder Dämme ein Stück, andernorts beseitigte man ein Hindernis. Flußläufe, Furten, Pässe, Quellen, Bodenbeschaffenheit und Höhenunterschiede bestimmten den groben Verlauf. Vier Bernsteinstraßen von zusammen etwa fünftausend Kilometern Länge durchzogen Europa in Nord-Süd-Richtung. Eine Königsstraße verband die Türkei mit Persien, Rasthäuser gab es in etwa 25 Kilometern Abstand, ideal für einen Tagesmarsch, im Gebirge nach 20 Kilometern. In drei Monaten wanderte man um 500 v. Chr. die 2500 Kilometer lange Strecke von Susa nach Ephesos zurück.+Wer sich tief in die Wildnis verirrt, ist diesem Zustand am nächsten - er muß sich verlieren, um seinen Weg gestalten zu können. Der kürzeste Weg in der Wildnis führt durch Schluchten und Wasserläufe, endet an Abbrüchen oder im Sumpf. Der kürzeste Weg ist meist ein kraftraubender, falscher. Den richtigen Weg zu kreieren, das ist die Kunst. Sie erfordert ein tiefes Verständnis der Natur und der eigenen Möglichkeiten. Ein solcher Weg sucht die Höhe, aber nicht den Gipfel, weicht Schwierigkeiten aus. Scheinbar sinnlose Kehren ermöglichen einen steten Gang. Der richtige Weg ist ein Weg der kleinsten Mühen. Die Wege der ersten Fußreisenden bestimmen noch heute die Welt des Menschen: Kreuzungen waren heilig - Wegkreuze wurden bis in die Gegenwart errichtet. Wo sich Wege kreuzten, entstanden Handelsniederlassungen, Dörfer, Städte. Wo niemand ausweichen konnte, entstanden Burgen, wurde Zoll erhoben. Ganze Länder kann beherrschen, wer die ein, zwei wichtigsten Straßen kontrolliert (Afghanistan). Die frühen Fußwege wurden Mensch und Umwelt in einem solchen Maße gerecht, daß sie oftmals kaum verändert bis heute existieren. Hier wurde der Belag ausgewechselt, dort verkürzten Brücken oder Dämme ein Stück, andernorts beseitigte man ein Hindernis. Flußläufe, Furten, Pässe, Quellen, Bodenbeschaffenheit und Höhenunterschiede bestimmten den groben Verlauf. Vier Bernsteinstraßen von zusammen etwa fünftausend Kilometern Länge durchzogen Europa in Nord-Süd-Richtung. Eine Königsstraße verband die Türkei mit Persien, [[wiki:rast|Rast]]häuser gab es in etwa 25 Kilometern Abstand, ideal für einen Tagesmarsch, im Gebirge nach 20 Kilometern. In drei Monaten wanderte man um 500 v. Chr. die 2500 Kilometer lange Strecke von Susa nach Ephesos zurück.
  
 ===== Die Reisen der Seßhaften ===== ===== Die Reisen der Seßhaften =====
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 Alle weiteren Motive und Möglichkeiten der Reisen zu Fuß resultieren aus der Seßhaftigkeit. Ist die Bindung an einen Ort für den Nomaden ein Unglück, so wurde der Verlust der Heimat dem Seßhaften Fluch, Schande oder gottgesandtes Schicksal. Heimat ist ortsgebundener Be-//sitz// im Rahmen fester sozialer, materieller und geographischer Bindungen. Eine folgenschwere Festlegung: Arbeit wird zum Wert an sich, Religion ebenso. Erstere manifestiert sich in der Anhäufung von Besitztümern (Im-//mobilien//) und im Ansehen achtbarer Berufe, die zweite in Gotteshäusern (dem Turm zu Babel), Statuen (das goldene Kalb) und Bildern (der Islam verbot sie). Die großen monotheistischen Weltreligionen wurzeln im Nomadentum (Buddha, Jesus und Mohammed waren Wanderer), doch die Seßhaften schufen sich einen reich bevölkerten Götterhimmel. Arbeit kompensierte den Verlust an [[wiki:freiheit|Freiheit]], Religiosität die Entfremdung von der Natur. Das eine oder andere in Frage zu stellen hieß, am Vertrag der Seßhaften zu rütteln. Christliche Sekten, die Besitzlosigkeit zur Grundlage des Glaubens machten, verfolgte die Kirche als Ketzer (Katharer). Wer die Arbeit scheut, wird zur sozialen Randfigur, zum Künstler oder Landstreicher. Seßhafte haben nun einmal ausgeprägte Ge-//wohn//-heiten.\\  Alle weiteren Motive und Möglichkeiten der Reisen zu Fuß resultieren aus der Seßhaftigkeit. Ist die Bindung an einen Ort für den Nomaden ein Unglück, so wurde der Verlust der Heimat dem Seßhaften Fluch, Schande oder gottgesandtes Schicksal. Heimat ist ortsgebundener Be-//sitz// im Rahmen fester sozialer, materieller und geographischer Bindungen. Eine folgenschwere Festlegung: Arbeit wird zum Wert an sich, Religion ebenso. Erstere manifestiert sich in der Anhäufung von Besitztümern (Im-//mobilien//) und im Ansehen achtbarer Berufe, die zweite in Gotteshäusern (dem Turm zu Babel), Statuen (das goldene Kalb) und Bildern (der Islam verbot sie). Die großen monotheistischen Weltreligionen wurzeln im Nomadentum (Buddha, Jesus und Mohammed waren Wanderer), doch die Seßhaften schufen sich einen reich bevölkerten Götterhimmel. Arbeit kompensierte den Verlust an [[wiki:freiheit|Freiheit]], Religiosität die Entfremdung von der Natur. Das eine oder andere in Frage zu stellen hieß, am Vertrag der Seßhaften zu rütteln. Christliche Sekten, die Besitzlosigkeit zur Grundlage des Glaubens machten, verfolgte die Kirche als Ketzer (Katharer). Wer die Arbeit scheut, wird zur sozialen Randfigur, zum Künstler oder Landstreicher. Seßhafte haben nun einmal ausgeprägte Ge-//wohn//-heiten.\\ 
  
-Kain erschlägt Abel, der Bauer den Nomaden. Im Schweiße seines Angesichts, den Rücken gebeugt, die Hände in der Erde sichert der Bauer sein Leben. Der seßhafte Hirte zäunt seine Weiden ein, sein Zelt erstarrt zu festen Mauern, die Siedlung erhält einen Wall. Dörfer und Städte brauchen Wasser und fruchtbares Land. Macht wurde ausgeübt: verfügen über ... und besitzen von ..., Grenzen gesetzt, Anspruch erhoben, selbst auf Nomaden. Die wurden verdrängt in unfruchtbare Rückzugsgebiete. Der Konflikt wurde unausweichlich. Die Bibel erzählt, daß Nomaden Städte angreifen (Jericho) und die Stadtgründer verfluchen. Noch 1690 beschlossen die wandernden Don-Kosaken die Todesstrafe für jeden, der den Boden bebauen wollte. Kolonialismus hieß fast immer Krieg mit Nomadenvölkern. Und heute? Die Tuareg in Mali, die Polisario in Mauretanien wehren sich mit der Waffe gegen Grenzziehungen.+Kain erschlägt Abel, der Bauer den Nomaden. Im Schweiße seines Angesichts, den Rücken gebeugt, die Hände in der Erde sichert der Bauer sein Leben. Der seßhafte Hirte zäunt seine Weiden ein, sein Zelt erstarrt zu festen Mauern, die Siedlung erhält einen Wall. Dörfer und Städte brauchen Wasser und fruchtbares Land. Macht wurde ausgeübt: verfügen über ... und besitzen von ..., Grenzen gesetzt, Anspruch erhoben, selbst auf Nomaden. Die wurden verdrängt in unfruchtbare Rückzugsgebiete. Der Konflikt wurde unausweichlich. Die Bibel erzählt, daß Nomaden Städte angreifen (Jericho) und die Stadtgründer verfluchen. Noch 1690 beschlossen die wandernden Don-Kosaken die Todesstrafe für jeden, der den Boden bebauen wollte. Kolonialismus hieß fast immer Krieg mit Nomadenvölkern. Und heute? Die [[wiki:tuareg|Tuareg]] in Mali, die Polisario in Mauretanien wehren sich mit der Waffe gegen Grenzziehungen.
  
 [[wiki:zeit_musse|Zeit]] wurde kostbar, [[wiki:reisen|Reisen]] schien gefährlich, erodierte Bindungen – Warum die mehrfach gesicherten [[wiki:grenze|Grenzen]] von Heim, Haus, Hof, Dorf und Land aufgeben, vertraute Bindungen lösen? Die Fußreise, vordem Bestandteil des Alltags, stand dem [[wiki:einzelne|Einzelnen]] nun zur Wahl, konnte Notwendigkeit sein oder [[wiki:weltanschauung|Weltanschauung]]. Existentieller Zwang zu reisen wurde durch den Zwang zur sozialen Legitimation ersetzt. Peinlich genau achteten Seßhafte darauf, daß Reisen sozial begründet und zeitlich begrenzt wurden. Legitim waren die Walz der Handwerksgesellen, der wandernde Krieger, der fahrende Händler, der Pilger. Vereinzelt hielten sich Rituale der nomadischen Kultur: Könige reisten von Pfalz zu Pfalz, Bischöfe von Diözese zu Diözese, Pilger zu den heiligen Stätten. [[wiki:zeit_musse|Zeit]] wurde kostbar, [[wiki:reisen|Reisen]] schien gefährlich, erodierte Bindungen – Warum die mehrfach gesicherten [[wiki:grenze|Grenzen]] von Heim, Haus, Hof, Dorf und Land aufgeben, vertraute Bindungen lösen? Die Fußreise, vordem Bestandteil des Alltags, stand dem [[wiki:einzelne|Einzelnen]] nun zur Wahl, konnte Notwendigkeit sein oder [[wiki:weltanschauung|Weltanschauung]]. Existentieller Zwang zu reisen wurde durch den Zwang zur sozialen Legitimation ersetzt. Peinlich genau achteten Seßhafte darauf, daß Reisen sozial begründet und zeitlich begrenzt wurden. Legitim waren die Walz der Handwerksgesellen, der wandernde Krieger, der fahrende Händler, der Pilger. Vereinzelt hielten sich Rituale der nomadischen Kultur: Könige reisten von Pfalz zu Pfalz, Bischöfe von Diözese zu Diözese, Pilger zu den heiligen Stätten.
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 siehe auch:\\  siehe auch:\\ 
-* Quellen: [[wiki:Literaturliste zum Fussreisen|Literaturliste zum Fussreisen]]\\  +* Quellen: [[wiki:literaturliste_fussreisen|Literaturliste zum Fussreisen]]\\  
-* [[wiki:literaturliste_zur_reiseliteratur|Literaturliste zur Reiseliteratur]]\\ +* [[wiki:literaturliste_reiseliteratur|Literaturliste zur Reiseliteratur]]\\ 
 * [[wiki:fachliteratur|Fachliteratur]]\\  * [[wiki:fachliteratur|Fachliteratur]]\\ 
  
 <html><img src="https://vg07.met.vgwort.de/na/708528d1d7be46419e3ad492e83f0c01" width="1" height="1" alt=""></html> <html><img src="https://vg07.met.vgwort.de/na/708528d1d7be46419e3ad492e83f0c01" width="1" height="1" alt=""></html>
wiki/fussreisen.txt · Zuletzt geändert: 2024/05/02 03:03 von norbert

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