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 //»Ich glaube, daß wir Heutigen, die wir daran gewöhnt sind, frei Haus gelieferte Erkenntnisse zu verkonsumieren, weitgehend vergessen haben, daß die Wahrheit ihren Preis hat. Oder wie ein Eskimo-Schamane zu ''Knud Rasmussen'' sagte: Ihr wißt nicht, daß nur der erkennt, der in die Einsamkeit geht und Leiden erträgt. … Die Menschen haben immer wieder die Wahl. Aber bereits die Eva des Alten Testaments gab ja bekanntlich die Geborgenheit des Paradieses hin für die Wahrheit.«// ((''Hans Peter Duerr'': //Traumzeit. Über die Grenze zwischen Wildnis und Zivilisation//. Syndikat 1978. Insbesondere das Kapitel: //Road Bilong Science//)) //»Ich glaube, daß wir Heutigen, die wir daran gewöhnt sind, frei Haus gelieferte Erkenntnisse zu verkonsumieren, weitgehend vergessen haben, daß die Wahrheit ihren Preis hat. Oder wie ein Eskimo-Schamane zu ''Knud Rasmussen'' sagte: Ihr wißt nicht, daß nur der erkennt, der in die Einsamkeit geht und Leiden erträgt. … Die Menschen haben immer wieder die Wahl. Aber bereits die Eva des Alten Testaments gab ja bekanntlich die Geborgenheit des Paradieses hin für die Wahrheit.«// ((''Hans Peter Duerr'': //Traumzeit. Über die Grenze zwischen Wildnis und Zivilisation//. Syndikat 1978. Insbesondere das Kapitel: //Road Bilong Science//))
  
-Die Welt dort draußen war einmal eine alltägliche Erfahrung, knapp außerhalb der Dorfhecke oder der Stadtmauer, man lese die Grimmschen Märchen. Was nach draußen gehörte, zeigt sich bereits früh im Zuständigkeitsbereich der antiken Götter: //Hermes// und //Merkur// schützten als [[wiki:reisegoetter|Reisegötter]] die Wege, den Verkehr, die Wanderer, Kaufleute und Hirten, die Diebe, Künstler, die Redekunst, die Magie. Hermes wird als junger Mann mit breitrandiger Kappe und geflügelten Sandalen dargestellt, der einen mit zwei Schlangen gekrönten Heroldstab trägt. Im alten Griechenland garantierte dieser Stab eine sichere Reise, auch in Zeiten des Krieges.\\ +Die Welt dort draußen war einmal eine alltägliche Erfahrung, knapp außerhalb der Dorfhecke oder der Stadtmauer, man lese die Grimmschen Märchen. Was nach draußen gehörte, zeigt sich bereits früh im Zuständigkeitsbereich der antiken Götter: //Hermes// und //Merkur// schützten als [[wiki:reisegoetter|Reisegötter]] die Wege, den Verkehr, die Wanderer, Kaufleute und Hirten, die Diebe, Künstler, die Redekunst, die Magie. Hermes wird als junger Mann mit breitrandiger Kappe und geflügelten Sandalen dargestellt, der einen mit zwei Schlangen gekrönten Heroldstab (Caduceus) trägt. Im alten Griechenland garantierte dieser [[wiki:stab|Stab]] eine sichere Reise, auch in Zeiten des Krieges.\\ 
 Er war der Gott, der die Grenze zwischen den Toten und den Lebenden am einfachsten überquerte. Dieser Grenze entsprach im Alltag der Zaun zwischen Kultur und [[wiki:wildnis|Wildnis]], die Hecke, der Hag. Die Hirten und Schäfer draußen wurden dem ehrlosen Volk zugerechnet und galten als Lehrer der Hexen; das Wort Hexe stammt von Hagazussa, die mit einem Bein in der Wildnis und mit dem anderen in der Kultur steht und auf der Hecke reitet.\\  Er war der Gott, der die Grenze zwischen den Toten und den Lebenden am einfachsten überquerte. Dieser Grenze entsprach im Alltag der Zaun zwischen Kultur und [[wiki:wildnis|Wildnis]], die Hecke, der Hag. Die Hirten und Schäfer draußen wurden dem ehrlosen Volk zugerechnet und galten als Lehrer der Hexen; das Wort Hexe stammt von Hagazussa, die mit einem Bein in der Wildnis und mit dem anderen in der Kultur steht und auf der Hecke reitet.\\ 
 Die Verstoßenen hatten nur diese Welt, verstanden sich allerdings nicht unbedingt als Opfer. Das Leben auf der Landstraße war lange Zeit auch ein alternativer Lebensentwurf, der vielleicht erst durch das aus im Mittelalter entstandene ora et labora abgewertet wurde. Die Verstoßenen hatten nur diese Welt, verstanden sich allerdings nicht unbedingt als Opfer. Das Leben auf der Landstraße war lange Zeit auch ein alternativer Lebensentwurf, der vielleicht erst durch das aus im Mittelalter entstandene ora et labora abgewertet wurde.
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 ((''Otfried von Weißenburg'', 800-870, //Liber evangeliorum//)) ((''Otfried von Weißenburg'', 800-870, //Liber evangeliorum//))
  
-In dieser Lehnspyramide entstand die Institution des Urlaubs mit seinen bedingten und befristeten Freiheiten zunächst zwischen König und Adel. Der zur aventiure, zum [[wiki:abenteuer|Abenteuer]], aufbrechende Ritter holte die Erlaubnis seines Lehnsherren ein, um sich der //»wertvollsten Tätigkeit des Menschen«// ((''Michael Nerlich'': //Abenteuer oder das verlorene Selbstverständnis der Moderne.// Gerling München 1997, S. 336)) zu widmen: dem Auszug ins Unbekannte, dem Eingehen von Risiken, dem Kampf gegen den Zufall, der Überraschung, der Neuheit, dem Wandel. Sein [[wiki:motive_des_reisens|Motiv]] war es, sich zu bewähren, heimzukehren und belohnt zu werden: mit Macht, Vermögen, Heirat, nicht nur im Rittersstand, sondern auch im bürgerlichen Stand, etwa als merchant adventurer wie Marco Polo. Die Genossenschaft der //merchant adventurer// erfand die Versicherung, um das Handelsrisiko zu minimieren und den Gewinn zu maximieren ((''Michael Nerlich'': aaO, S. 343)). Zu Beginn der Neuzeit traten [[wiki:erforscher|Entdecker und Erforscher]] dem Club der Abenteurer bei, erwarben Adelsprädikat, Geld und Ehre für sich, insbesondere jedoch Kolonien für die Krone. Für den Abenteurer ist das Abenteuer überaus nützlich ((//»Muß denn alles auf Essen, Trinken und Kleidung hinauslaufen? Dass ich sicherer schlafe oder besser ein Schiff regiere, bequemere Maschinen erfinde, wieder nur um besser zu essen? Ich sage es noch einmal, das wahrhaft Hohe darf und kann nicht nützen; dieses Nützlichsein ist seiner göttlichen Natur ganz fremd«.// ''Ludwig Tieck'': //Franz Sternbalds Wanderungen//, 1798, http://gutenberg.spiegel.de )), ohne Aussicht auf Erfolg und Gewinn unternähme er es nicht. Der Abenteurer ist eben kein Eroberer des Nutzlosen: er minimiert das Risiko, ist versichert, nur befristet sozial entbunden und will über den Umweg in die Fremde in der Heimat erfolgreich sein. In neuerer Zeit wird Urlaub in erster Linie verstanden als Freiheit von etwas (»negative Freiheit«): er befreit von den Pflichten des Alltags, von jeder Verantwortung. Sittlich entfesselt der »Erholungsurlauber« sucht maximalen Lustgewinn, er »läßt die Sau raus«. Das ist legitim, weil es angeblich die Leistungsfähigkeit sichert und die soziale Position erhalten soll. Als Freiheit zu etwas (»positive Freiheit«) wird der Urlaub nur von wenigen genutzt. Als Erlebnisurlaub verbracht, ist Urlaub zudem ein Ritual, das dem Mythos vom Abenteuer huldigt. So gesehen wird auch verständlich, weshalb der Camel-Mann zum Symbol von Abenteuer und Freiheit werden konnte. Tat er doch alles für seine Abhängigkeit, indem er meilenweit für eine Zigarette lief.+In dieser Lehnspyramide entstand die Institution des Urlaubs mit seinen bedingten und befristeten Freiheiten zunächst zwischen König und Adel. Der zur aventiure, zum [[wiki:abenteuer|Abenteuer]], aufbrechende Ritter holte die Erlaubnis seines Lehnsherren ein, um sich der //»wertvollsten Tätigkeit des Menschen«// ((''Michael Nerlich'': //Abenteuer oder das verlorene Selbstverständnis der Moderne.// Gerling München 1997, S. 336)) zu widmen: dem Auszug ins Unbekannte, dem Eingehen von Risiken, dem Kampf gegen den Zufall, der Überraschung, der Neuheit, dem Wandel. Sein [[wiki:motive_des_reisens|Motiv]] war es, sich zu bewähren, heimzukehren und belohnt zu werden: mit Macht, Vermögen, Heirat, nicht nur im Rittersstand, sondern auch im bürgerlichen Stand, etwa als merchant adventurer wie Marco Polo. Die Genossenschaft der //merchant adventurer// erfand die Versicherung, um das Handelsrisiko zu minimieren und den Gewinn zu maximieren ((''Michael Nerlich'': aaO, S. 343)). Zu Beginn der Neuzeit traten [[wiki:erforscher|Entdecker und Erforscher]] dem Club der Abenteurer bei, erwarben Adelsprädikat, Geld und [[wiki:ehre|Ehre]] für sich, insbesondere jedoch Kolonien für die Krone. Für den Abenteurer ist das Abenteuer überaus nützlich ((//»Muß denn alles auf Essen, Trinken und Kleidung hinauslaufen? Dass ich sicherer schlafe oder besser ein Schiff regiere, bequemere Maschinen erfinde, wieder nur um besser zu essen? Ich sage es noch einmal, das wahrhaft Hohe darf und kann nicht nützen; dieses Nützlichsein ist seiner göttlichen Natur ganz fremd«.// ''Ludwig Tieck'': //Franz Sternbalds Wanderungen//, 1798, http://gutenberg.spiegel.de )), ohne Aussicht auf Erfolg und Gewinn unternähme er es nicht. Der Abenteurer ist eben kein Eroberer des Nutzlosen: er minimiert das Risiko, ist versichert, nur befristet sozial entbunden und will über den Umweg in die Fremde in der Heimat erfolgreich sein. In neuerer Zeit wird Urlaub in erster Linie verstanden als Freiheit von etwas (»negative Freiheit«): er befreit von den Pflichten des Alltags, von jeder Verantwortung. Sittlich entfesselt der »Erholungsurlauber« sucht maximalen Lustgewinn, er »läßt die Sau raus«. Das ist legitim, weil es angeblich die Leistungsfähigkeit sichert und die soziale Position erhalten soll. Als Freiheit zu etwas (»positive Freiheit«) wird der Urlaub nur von wenigen genutzt. Als Erlebnisurlaub verbracht, ist Urlaub zudem ein Ritual, das dem Mythos vom Abenteuer huldigt. So gesehen wird auch verständlich, weshalb der Camel-Mann zum Symbol von Abenteuer und Freiheit werden konnte. Tat er doch alles für seine Abhängigkeit, indem er meilenweit für eine Zigarette lief.
  
 ===== 6 Die Freiheit der Nomaden ===== ===== 6 Die Freiheit der Nomaden =====
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 und sind verflucht, an der Scholle zu kleben und zu graben.«// ((''William Bolitho'': //Zwölf gegen das Schicksal. Die Geschichte des Abenteuers//. Kiepenheuer Vlg., 1931)) Pathetisch wird hier die Freiheit des unbeherrschten Einzelnen idealisiert, die sich im Unterwegs-Sein äußert. und sind verflucht, an der Scholle zu kleben und zu graben.«// ((''William Bolitho'': //Zwölf gegen das Schicksal. Die Geschichte des Abenteuers//. Kiepenheuer Vlg., 1931)) Pathetisch wird hier die Freiheit des unbeherrschten Einzelnen idealisiert, die sich im Unterwegs-Sein äußert.
  
-Wer in unserem Zeitalter frei sagt, beansprucht das individuelle Recht, von jeder Verpflichtung, von jeder Verhaltensregel frei zu sein. //»Dass Freiheit heutzutage eher die sittliche Entfesselung meint als die ortsgebundene Gesittung, beruht wohl auf dem natürlichen Raubinstinkt (Philobatie), der in Widerstreit mit dem Wunsch nach Geborgenheit (Oknophilie) liegt.«// ((http://home.tiscalinet.ch/lothar.knaak/onlineD.html?Freiheit.html)) Muß man also wählen, Adler oder Kaninchen sein?+Wer in unserem Zeitalter frei sagt, beansprucht das individuelle Recht, von jeder Verpflichtung, von jeder Verhaltensregel frei zu sein. //»Dass Freiheit heutzutage eher die sittliche Entfesselung meint als die ortsgebundene Gesittung, beruht wohl auf dem natürlichen Raubinstinkt ([[wiki:philobatie|Philobatie]]), der in Widerstreit mit dem Wunsch nach Geborgenheit ([[wiki:oknophilie|Oknophilie]]) liegt.«// ((http://home.tiscalinet.ch/lothar.knaak/onlineD.html?Freiheit.html)) Muß man also wählen, Adler oder Kaninchen sein?
  
 Nicht nur BRUCE CHATWIN ((''Bruce Chatwin'': //Der Traum des Ruhelosen//. München, Wien 1996, darin: Die nomadische Alternative S. 111ff.)) und HANS MAGNUS ENZENSBERGER betrachteten den Menschen als geborenen Nomaden. Der »globale Nomade« diente wiederholt als Leitbild für die Sehnsucht nach der Erhöhung des Selbst. ARTHUR RIMBAUD fand im Nomaden den Anderen, JACK KEROUAC entdeckte in ihm das Unendliche, BRUCE CHATWIN das Ursprüngliche. Aber wie frei und ungebunden ist denn der Nomade mit seiner Herde und seiner Sippe? Tatsächlich besitzt er viel, nur daß sein Besitz über Beine verfügt – und über Bedürfnisse: Futter, Wasser, Schutz gegen Raubtiere, gegen Unwetter … Wandernd folgt er alten Routen und bewährten Erfahrungen, etwa zwischen Sommer- und Winterweide, er hat keine Wahl – ewig grüßt das Murmeltier. Nicht nur BRUCE CHATWIN ((''Bruce Chatwin'': //Der Traum des Ruhelosen//. München, Wien 1996, darin: Die nomadische Alternative S. 111ff.)) und HANS MAGNUS ENZENSBERGER betrachteten den Menschen als geborenen Nomaden. Der »globale Nomade« diente wiederholt als Leitbild für die Sehnsucht nach der Erhöhung des Selbst. ARTHUR RIMBAUD fand im Nomaden den Anderen, JACK KEROUAC entdeckte in ihm das Unendliche, BRUCE CHATWIN das Ursprüngliche. Aber wie frei und ungebunden ist denn der Nomade mit seiner Herde und seiner Sippe? Tatsächlich besitzt er viel, nur daß sein Besitz über Beine verfügt – und über Bedürfnisse: Futter, Wasser, Schutz gegen Raubtiere, gegen Unwetter … Wandernd folgt er alten Routen und bewährten Erfahrungen, etwa zwischen Sommer- und Winterweide, er hat keine Wahl – ewig grüßt das Murmeltier.
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 Natürlich stören den Nomaden die Grenzen der Seßhaften – Schranken und Zäune werden gewaltsam überwunden.// »Ein Stamm verhält sich so, als sei er die einzige Versammlung von Wesen, die wirklich als Menschen gelten können. … Bewundert wird, wer sich nimmt, was er braucht.«// ((''Richard Sennett'': //Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität//. New York 1974, Frankfurt 1983, S. 363)) Die gewaltsame Auseinandersetzung zwischen Nomaden und Seßhaften, der erste dokumentierte Mord, wird im ältestem Buch, der Bibel, beschrieben. In der Höhle des Blutes, Magharat ad-Dam, am Hang des Jebel Al-Qassyun bei Damaskus ((''Christian Reder'': //Transferprojekt Damaskus//, Ed. Transfer/Springer, Wien 2003 www.christianreder.net/archiv/b_03_damas_s141_d.html)), erschlug KAIN seinen Bruder.// »Der Name Abel nämlich bedeutet ›Hirt‹, der Name Kain dagegen bedeutet ›Schmied‹.«// Kain wurde zum »Erbauer der Stadt« und gestraft: //»Rastlos und ruhelos wirst du auf der Erde sein«// (Gen. 4, 12, 17). Die Heimat zu verlieren, ist dem Seßhaften ein Fluch, dem Nomaden aber ist es ein Unglück, an einen Ort gebunden zu sein. Natürlich stören den Nomaden die Grenzen der Seßhaften – Schranken und Zäune werden gewaltsam überwunden.// »Ein Stamm verhält sich so, als sei er die einzige Versammlung von Wesen, die wirklich als Menschen gelten können. … Bewundert wird, wer sich nimmt, was er braucht.«// ((''Richard Sennett'': //Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität//. New York 1974, Frankfurt 1983, S. 363)) Die gewaltsame Auseinandersetzung zwischen Nomaden und Seßhaften, der erste dokumentierte Mord, wird im ältestem Buch, der Bibel, beschrieben. In der Höhle des Blutes, Magharat ad-Dam, am Hang des Jebel Al-Qassyun bei Damaskus ((''Christian Reder'': //Transferprojekt Damaskus//, Ed. Transfer/Springer, Wien 2003 www.christianreder.net/archiv/b_03_damas_s141_d.html)), erschlug KAIN seinen Bruder.// »Der Name Abel nämlich bedeutet ›Hirt‹, der Name Kain dagegen bedeutet ›Schmied‹.«// Kain wurde zum »Erbauer der Stadt« und gestraft: //»Rastlos und ruhelos wirst du auf der Erde sein«// (Gen. 4, 12, 17). Die Heimat zu verlieren, ist dem Seßhaften ein Fluch, dem Nomaden aber ist es ein Unglück, an einen Ort gebunden zu sein.
  
-In derselben Höhle wird auch AL-KHIDR verehrt ((Studie des Wiener Ethnologen ''Gebhard Fartacek'' über Pilgerstätten in der syrischen Peripherie. http://hw.oeaw.ac.at/3133-5)). Als Patron der Reisenden und Verzweifelten repräsentiert er den mobilen Fremden in einer unsicheren Umwelt. Sein christliches Pendant, der heilige Drachentöter GEORG ((Der griechische Name leitet sich von »Bauer« ab.)), qualifizierte sich im Umfeld des Athanasius, das »auf Unterschlagung und Gewaltanwendung beruhte« ((''Peter Brown'': //Die Entstehung des christlichen Europa//. (Oxford 1995), München 1999, S. 55\\ ''Barbara Tuchman'': //Bible and Sword. England and Palestine from the Bronze Age to Balfour.// New York 1956, S. 149)). Er beschützt Wanderer, Gefangene, Artisten, Soldaten, Reiter und Ritter.\\ +In derselben Höhle wird auch AL-KHIDR verehrt ((Studie des Wiener Ethnologen ''Gebhard Fartacek'' über Pilgerstätten in der syrischen Peripherie. http://hw.oeaw.ac.at/3133-5)). Als Patron der Reisenden und Verzweifelten repräsentiert er den mobilen Fremden in einer unsicheren Umwelt. Sein christliches Pendant, der heilige Drachentöter GEORG ((Der griechische Name Geōrgios Γεώργιος/Jeórjios bedeutet »Bauer« geōrgós/jeorgós γεωργός; dieses ist zusammengesetzt aus gē/ji (γῆ/γη) `Erde´ und érgon/érgo (ἔργον/έργο) `Arbeit´.)), qualifizierte sich im Umfeld des Athanasius, das »auf Unterschlagung und Gewaltanwendung beruhte« ((''Peter Brown'': //Die Entstehung des christlichen Europa//. (Oxford 1995), München 1999, S. 55\\ ''Barbara Tuchman'': //Bible and Sword. England and Palestine from the Bronze Age to Balfour.// New York 1956, S. 149)). Er beschützt Wanderer, Gefangene, Artisten, Soldaten, Reiter und Ritter.\\ 
 Die »Freiheit des Hirtennomaden« erscheint als eine äußere Freiheit: ohne [[wiki:grenze|Grenzen]], ohne Hierarchie, ohne äußere Herrschaft, seine individuelle Freiheit äußert sich wesentlich durch Gewalt nach außen. Im England und Frankreich des 19. Jahrhunderts galt »der Araber« als edler Wilder, //»sie sahen in den Arabern die letzten Vertreter sowohl von Ritterlichkeit als auch von Sexualität ohne Scham«.// ((''George L. Mosse'': //Nationalismus und Sexualität. Bürgerliche Moral und sexuelle Normen.// Reinbek 1987, zit. nach Leed: Erfahrung der Ferne, S. 57)) ALEXANDER KINGLAKE suchte bei ihnen 1837 die Freiheit und entdeckte, //»wo auch immer der Mensch wandert, so bleibt er immer an die Kette gefesselt, die ihn an seines Gleichen bindet.«// ((''Alexander William Kinglake'': //Eothen.// Grimma 1846 (= 4. Auflage der englischen Ausgabe) zit. nach Leed; http://etext.library.adelaide.edu.au/k/kinglake/alexander_william/eothen/)) KARL MAY folgte mit seiner Leitfigur Winnetou ebenfalls der Wunschvorstellung vom edlen Wilden und orientierte sich dabei am Leben der »Wildbeuternomaden«, die jagend und sammelnd die nordamerikanischen Prärien durchstreiften, während tatsächlich längst alle Indianer in Reservaten lebten. Die Reisenden etlicher Generationen nährten in ihrer Jugend ihre Reisephantasien mit solchem Stoff. Über fast zweihundert Jahre hinweg werden unterschiedliche Kulturen in einem Topf zu einem breiigen »Nomadentum« verkocht ((''James Clifford'': //Cultural Studies//, 1992)), das modisch gewürzt wird. Der Nomade ist also sicher eine wichtige gefühlte Leitfigur, doch diente sie wesentlich als Projektionsfläche von Bedürfnissen, die mit der Realität der Nomaden wenig zu tun haben. Die »Freiheit des Hirtennomaden« erscheint als eine äußere Freiheit: ohne [[wiki:grenze|Grenzen]], ohne Hierarchie, ohne äußere Herrschaft, seine individuelle Freiheit äußert sich wesentlich durch Gewalt nach außen. Im England und Frankreich des 19. Jahrhunderts galt »der Araber« als edler Wilder, //»sie sahen in den Arabern die letzten Vertreter sowohl von Ritterlichkeit als auch von Sexualität ohne Scham«.// ((''George L. Mosse'': //Nationalismus und Sexualität. Bürgerliche Moral und sexuelle Normen.// Reinbek 1987, zit. nach Leed: Erfahrung der Ferne, S. 57)) ALEXANDER KINGLAKE suchte bei ihnen 1837 die Freiheit und entdeckte, //»wo auch immer der Mensch wandert, so bleibt er immer an die Kette gefesselt, die ihn an seines Gleichen bindet.«// ((''Alexander William Kinglake'': //Eothen.// Grimma 1846 (= 4. Auflage der englischen Ausgabe) zit. nach Leed; http://etext.library.adelaide.edu.au/k/kinglake/alexander_william/eothen/)) KARL MAY folgte mit seiner Leitfigur Winnetou ebenfalls der Wunschvorstellung vom edlen Wilden und orientierte sich dabei am Leben der »Wildbeuternomaden«, die jagend und sammelnd die nordamerikanischen Prärien durchstreiften, während tatsächlich längst alle Indianer in Reservaten lebten. Die Reisenden etlicher Generationen nährten in ihrer Jugend ihre Reisephantasien mit solchem Stoff. Über fast zweihundert Jahre hinweg werden unterschiedliche Kulturen in einem Topf zu einem breiigen »Nomadentum« verkocht ((''James Clifford'': //Cultural Studies//, 1992)), das modisch gewürzt wird. Der Nomade ist also sicher eine wichtige gefühlte Leitfigur, doch diente sie wesentlich als Projektionsfläche von Bedürfnissen, die mit der Realität der Nomaden wenig zu tun haben.
  
wiki/freiheit.txt · Zuletzt geändert: 2024/04/30 06:09 von norbert

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