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wiki:freiheit

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wiki:freiheit [2019/11/11 10:13] – [7 »Meine Freiheit ist nicht deine Freiheit«] norbertwiki:freiheit [2020/08/03 05:25] norbert
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 Unter den [[wiki:globetrotter|Globetrottern]], die auf jeden einschränkenden Einfluß reagieren wie der Zeiger eines Seismometers, wird im allgemeinen gar nicht viel über Freiheit geredet. Vielleicht, weil jeder jeden mit seiner Freiheit machen läßt, was er will: aufzubrechen, sich anders zu entscheiden, Fehler zu machen, eben selbst zu bestimmen, welcher Weg einzuschlagen ist. Unter den [[wiki:globetrotter|Globetrottern]], die auf jeden einschränkenden Einfluß reagieren wie der Zeiger eines Seismometers, wird im allgemeinen gar nicht viel über Freiheit geredet. Vielleicht, weil jeder jeden mit seiner Freiheit machen läßt, was er will: aufzubrechen, sich anders zu entscheiden, Fehler zu machen, eben selbst zu bestimmen, welcher Weg einzuschlagen ist.
-Individuelle Freiheit ((Als Möglichkeit, selbstbestimmt zwischen verschiedenen Handlungen zu wählen und zu entscheiden oder auch etwas Neues zu erschaffen (Autonomie), eng verbunden mit Selbstverwirklichung und Eigenverantwortung.)) steht bei Globetrottern in hohem Kurs. Doch frei zu reisen ist nicht+Individuelle Freiheit ((Als Möglichkeit, selbstbestimmt zwischen verschiedenen Handlungen zu wählen und zu entscheiden oder auch etwas Neues zu erschaffen ([[wiki:Autonomie|Autonomie]]), eng verbunden mit Selbstverwirklichung und Eigenverantwortung.)) steht bei Globetrottern in hohem Kurs. Doch frei zu reisen ist nicht
 jedermanns Sache (Abschnitt 1) und auch die innere Freiheit muß erworben werden jedermanns Sache (Abschnitt 1) und auch die innere Freiheit muß erworben werden
 (Abschnitt 2). Solches Freiheitsverständnisses nährt sich aus mehreren Wurzeln, die (Abschnitt 2). Solches Freiheitsverständnisses nährt sich aus mehreren Wurzeln, die
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 Doch kann man tatsächlich Ziele wählen, sich zwischen Wegen entscheiden, ohne die Möglichkeiten zu kennen? Um zu wissen, wohin ich will, muß ich da nicht erst einmal wissen, was es gibt? Also hätte derjenige die größte Wahlfreiheit, der am meisten über die Welt weiß? Der die meisten Reiseführer gelesen, die meisten TV-Sendungen gesehen, die intensivste Internetrecherche betrieben hätte?\\  Doch kann man tatsächlich Ziele wählen, sich zwischen Wegen entscheiden, ohne die Möglichkeiten zu kennen? Um zu wissen, wohin ich will, muß ich da nicht erst einmal wissen, was es gibt? Also hätte derjenige die größte Wahlfreiheit, der am meisten über die Welt weiß? Der die meisten Reiseführer gelesen, die meisten TV-Sendungen gesehen, die intensivste Internetrecherche betrieben hätte?\\ 
 //»Man sieht nur, __was man weiß__«// – Damit warb der //DuMont Verlag// lange Zeit für seine anspruchsvollen Kultur-Reiseführer. Die ersten »Entdecker« hätten also nichts gesehen, wären also eher unfrei in ihrer Wahl gewesen, da sie nichts über ihr Ziel und die Wege dorthin wußten …?\\  //»Man sieht nur, __was man weiß__«// – Damit warb der //DuMont Verlag// lange Zeit für seine anspruchsvollen Kultur-Reiseführer. Die ersten »Entdecker« hätten also nichts gesehen, wären also eher unfrei in ihrer Wahl gewesen, da sie nichts über ihr Ziel und die Wege dorthin wußten …?\\ 
-//»Man sieht __nur__, was man weiß«.// Den Satz kann man auch anders betonen: Wer seine Sinne auf das fokussiert, was er zu finden erwartet, setzt Scheuklappen auf, begrenzt seine Wahrnehmungen. Dagegen ermöglicht es die naive Offenheit des Unwissenden, staunend Neues zu entdecken: Unerhörtes, Ungesehenes, Unerlesenes, eben »sein eigener Columbus zu sein« (ROX-SCHULZ), das Unerwartete nicht nur willkommen zu heißen sondern vielleicht gar zu provozieren, indem gebahnte Pfade verlassen werden und gerade das nicht zu tun, was die anderen tun. Ein [[wiki:lebensreisestil|Reisestil]], der ein Reisen ins Unbekannte kultivierte, verzichtet auf möglichst perfekte und lückenlose Planung, ermöglicht entdeckendes Reisen ((''Rachael Anthony, Joël Henry'': //The Lonely Planet Guide to Experimental Travel//. 2005)): +//»Man sieht __nur__, was man weiß«.// Den Satz kann man auch anders betonen: Wer seine Sinne auf das fokussiert, was er zu finden erwartet, setzt Scheuklappen auf, begrenzt seine Wahrnehmungen. Dagegen ermöglicht es die naive [[wiki:offenheit|Offenheit]] des Unwissenden, staunend Neues zu entdecken: Unerhörtes, Ungesehenes, Unerlesenes, eben »sein eigener Columbus zu sein« (ROX-SCHULZ), das Unerwartete nicht nur willkommen zu heißen sondern vielleicht gar zu provozieren, indem gebahnte Pfade verlassen werden und gerade das nicht zu tun, was die anderen tun. Ein [[wiki:lebensreisestil|Reisestil]], der ein Reisen ins Unbekannte kultivierte, verzichtet auf möglichst perfekte und lückenlose Planung, ermöglicht entdeckendes Reisen ((''Rachael Anthony, Joël Henry'': //The Lonely Planet Guide to Experimental Travel//. 2005)): 
 //»Ich bin der geborene Expeditionstyp. Ich mache immer und aus jeder Reise, aus jedem Spaziergang etwas Außergewöhnliches.«// ((''Elly Beinhorn'' (*1907 †2007), in einem TV-Interview von 1987, wieder gesendet bei 3Sat am 30.05.07, 19.45 Uhr)) //»Ich bin der geborene Expeditionstyp. Ich mache immer und aus jeder Reise, aus jedem Spaziergang etwas Außergewöhnliches.«// ((''Elly Beinhorn'' (*1907 †2007), in einem TV-Interview von 1987, wieder gesendet bei 3Sat am 30.05.07, 19.45 Uhr))
  
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 Viele Zwänge sind selbst erzeugt, viele Grenzen selbst gezogen. Die Freiheit des Denkens kann die Grenzen des Möglichen weit überschreiten: Wunschträume, Ideen, Vorstellungen, Phantasien … bilden die Grundlage jedes selbstbestimmten Wollens und jeder Reise, auch wenn es manchmal zur Einbildung, Traumtänzerei, Phantasterei gerät.\\ Die Freiheit des Wollens schafft und gestaltet neue Wahlmöglichkeiten. Globetrotter sind talentiert im Finden von Auswegen und Schlupflöchern, denn: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Indem der Mensch sich von inneren Zwängen befreit (Triebe, Erwartungen, Gewohnheiten, Rollenmuster, Konventionen, Moralvorstellungen …) und seine Fähigkeiten nutzt, erwirbt er individuelle Souveränität. Viele Zwänge sind selbst erzeugt, viele Grenzen selbst gezogen. Die Freiheit des Denkens kann die Grenzen des Möglichen weit überschreiten: Wunschträume, Ideen, Vorstellungen, Phantasien … bilden die Grundlage jedes selbstbestimmten Wollens und jeder Reise, auch wenn es manchmal zur Einbildung, Traumtänzerei, Phantasterei gerät.\\ Die Freiheit des Wollens schafft und gestaltet neue Wahlmöglichkeiten. Globetrotter sind talentiert im Finden von Auswegen und Schlupflöchern, denn: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. Indem der Mensch sich von inneren Zwängen befreit (Triebe, Erwartungen, Gewohnheiten, Rollenmuster, Konventionen, Moralvorstellungen …) und seine Fähigkeiten nutzt, erwirbt er individuelle Souveränität.
  
-Globetrotter praktizieren selbst reisend solche Souveränität des Freien Handelns. Die dabei gewonnenen Erfahrungen ermöglichen es wiederum, in der heimatlichen Umgebung souveräner zu denken, zu entscheiden und zu handeln als andere dies tun und sich damit auch von äußeren Zwängen frei zu machen.+Globetrotter praktizieren selbst reisend solche [[wiki:souveraenitat|Souveränität]] des Freien Handelns. Die dabei gewonnenen Erfahrungen ermöglichen es wiederum, in der heimatlichen Umgebung souveräner zu denken, zu entscheiden und zu handeln als andere dies tun und sich damit auch von äußeren Zwängen frei zu machen.
  
 ===== 3 Die Freiheit der Landstraße ===== ===== 3 Die Freiheit der Landstraße =====
-//„Sieh,“ sprach Gott, „ich habe dich nicht anders brauchen können, als wie du bist, und ich habe dir den Stachel der Heimatlosigkeit und Wanderschaft mitgeben müssen, sonst wärst du irgendwo sitzengeblieben und hättest mir mein Spiel verdorben. In meinem Namen bist du gewandert und hast den seßhaften Leuten immer wieder ein wenig Heimweh nach Freiheit mitbringen müssen.“// ((''Herrmann Hesse'': //Des Landstreichers Lebensaufgabe//, aus: //Knulp//. [Ein Nachfahre des Taugenichts, ein Vagabund, der es zu nichts Rechtem gebracht hat, ein Entgleister, der nicht in die geregelte Ordnung nüchterner Arbeits- und Berufsmenschen paßt. Aber dieser träumende Schlendrian mit seiner Kinderseele verbirgt hinter seiner heiteren Seite, die den Menschen Freude, ihnen Spiel und Vergnügen bringt, einen zweiten Knulp, einen einsamen, heimatlosen Menschen, dem es bestimmt ist zu wandern, sich immer wieder auf und davon zu machen, an keinem Ort Wurzeln zu schlagen. Das Freisein von Bindungen muß mit dem Verzicht auf ein bürgerliches Glück, auf Familie und Häuslichkeit, erkauft werden. www.hhesse.de/werk.php?load=knulp))+//„Sieh,“ sprach Gott, „ich habe dich nicht anders brauchen können, als wie du bist, und ich habe dir den Stachel der Heimatlosigkeit und Wanderschaft mitgeben müssen, sonst wärst du irgendwo sitzengeblieben und hättest mir mein Spiel verdorben. In meinem Namen bist du gewandert und hast den seßhaften Leuten immer wieder ein wenig Heimweh nach Freiheit mitbringen müssen.“// ((''Herrmann Hesse'': //Des Landstreichers Lebensaufgabe//, aus: //Knulp//. [Ein Nachfahre des Taugenichts, ein Vagabund, der es zu nichts Rechtem gebracht hat, ein Entgleister, der nicht in die geregelte Ordnung nüchterner Arbeits- und Berufsmenschen paßt. Aber dieser träumende Schlendrian mit seiner Kinderseele verbirgt hinter seiner heiteren Seite, die den Menschen *[[wiki:freude|Freude]], ihnen Spiel und Vergnügen bringt, einen zweiten Knulp, einen einsamen, heimatlosen Menschen, dem es bestimmt ist zu wandern, sich immer wieder auf und davon zu machen, an keinem Ort Wurzeln zu schlagen. Das Freisein von Bindungen muß mit dem Verzicht auf ein bürgerliches Glück, auf Familie und Häuslichkeit, erkauft werden. www.hhesse.de/werk.php?load=knulp))
  
 [[wiki:fahrendes_volk|Fahrende Leute]] bevölkerten die Straßen, bevor es Ritter und Adel, Bauer und Bürger gab ((''Theodor Hampe'': //Die fahrenden Leute//. Jena 1924)). [[wiki:fahrendes_volk|Fahrende Leute]] bevölkerten die Straßen, bevor es Ritter und Adel, Bauer und Bürger gab ((''Theodor Hampe'': //Die fahrenden Leute//. Jena 1924)).
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 Die Wendung //frei und ungebunden// ((britisch: footloose and fancy-free)) zu sein, irritiert: Man ist doch frei, weil man ungebunden ist? Oder ist umgekehrt, wer sich frei von Bindungen wähnt, überhaupt befreit? Der Vagabund des Mittelalters war frei im Gegensatz zu beherrschten und gebundenen Bauern und Bürgern. In einer früheren Zeit jedoch gab es auch seßhaft Freie. Die Wendung //frei und ungebunden// ((britisch: footloose and fancy-free)) zu sein, irritiert: Man ist doch frei, weil man ungebunden ist? Oder ist umgekehrt, wer sich frei von Bindungen wähnt, überhaupt befreit? Der Vagabund des Mittelalters war frei im Gegensatz zu beherrschten und gebundenen Bauern und Bürgern. In einer früheren Zeit jedoch gab es auch seßhaft Freie.
  
-Damals meinte frei die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft von Gleichberechtigten, die weder abhängig, noch versklavt noch untertänig waren, sondern autark und souverän auf eigenem Boden herrschten – ohne äußere Herrschaft. Nur in diesem Miteinander und Dazugehören gab es Sicherheit und Geborgenheit mit Heim und Haus, Familie, Freunden und Nachbarschaft. Man band sich an diese Werte aus innerer Überzeugung, nicht durch die Gewalt eines Oberen. Jeder tat frei und willig das Seine, damit die Gemeinschaft ((Z.B. agnatisch-genossenschaftlicher Geschlechterverband, Schwurbrüderschaft von Sippen, Siedlungsgenossenschaft)) erhalten bliebe zum Wohle aller. Nicht die maximale Handlungsfreiheit des Einzelnen wurde angestrebt, sondern eine optimale Handlungsfreiheit für alle. Diese Form sozialer Bindung vermittelte das Gefühl von Freiheit. Die Eid-Genossen gründeten auf diesem Prinzip 1291 die Schweiz, der »Rütli-Schwur« stand an deren Anfang. Schillers Wilhelm Tell steht für dieses Freiheitsverständnis.+Damals meinte frei die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft von Gleichberechtigten, die weder abhängig, noch versklavt noch untertänig waren, sondern [[wiki:autarkie|autark]] und [[wiki:souveraenitat|souverän]] auf eigenem Boden herrschten – ohne äußere Herrschaft. Nur in diesem Miteinander und Dazugehören gab es Sicherheit und Geborgenheit mit Heim und Haus, Familie, Freunden und Nachbarschaft. Man band sich an diese Werte aus innerer Überzeugung, nicht durch die Gewalt eines Oberen. Jeder tat frei und willig das Seine, damit die Gemeinschaft ((Z.B. agnatisch-genossenschaftlicher Geschlechterverband, Schwurbrüderschaft von Sippen, Siedlungsgenossenschaft)) erhalten bliebe zum Wohle aller. Nicht die maximale Handlungsfreiheit des Einzelnen wurde angestrebt, sondern eine optimale Handlungsfreiheit für alle. Diese Form sozialer Bindung vermittelte das Gefühl von Freiheit. Die Eid-Genossen gründeten auf diesem Prinzip 1291 die Schweiz, der »Rütli-Schwur« stand an deren Anfang. Schillers Wilhelm Tell steht für dieses Freiheitsverständnis.
  
 Das Ende dieses umfassenden Lebensverständnisses begann, als sich im Mittelalter die Stände von Ritter und Bürger bildeten. Erst damit entstand der »an die Scholle gebundene« Bauer. 1538 erwähnt der Chronist den Freibauern als außergewöhnlich ((''Theodor Kantzow'' über die Bauern in Pommern und Rügen, in: //Chronik von Pommern// 1538)). Die freie Bauernrepublik Dithmarschen endete 1559, vergleichbare Ansätze gab es im Bregenzerwald und in Gotland, in den sieben freien Gemeinden der norditalienischen Alpen oder in den sieben freien Hagen an der Weser. Die Rechte der letzten Freiherren als Souverän auf eigenem Land wurden vom //Wiener Kongreß// 1814 getilgt. Das Ende dieses umfassenden Lebensverständnisses begann, als sich im Mittelalter die Stände von Ritter und Bürger bildeten. Erst damit entstand der »an die Scholle gebundene« Bauer. 1538 erwähnt der Chronist den Freibauern als außergewöhnlich ((''Theodor Kantzow'' über die Bauern in Pommern und Rügen, in: //Chronik von Pommern// 1538)). Die freie Bauernrepublik Dithmarschen endete 1559, vergleichbare Ansätze gab es im Bregenzerwald und in Gotland, in den sieben freien Gemeinden der norditalienischen Alpen oder in den sieben freien Hagen an der Weser. Die Rechte der letzten Freiherren als Souverän auf eigenem Land wurden vom //Wiener Kongreß// 1814 getilgt.
wiki/freiheit.txt · Zuletzt geändert: 2024/04/30 06:09 von norbert

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