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 Die antiken Tragödien zeigen das Schicksal Einzelner - Antigone, Elektra, Ödipus - weil sie keine andere Wahl hatten als sich dem Spruch der [[wiki:reisegoetter|Götter]] zu unterwerfen. Dass der Mensch seinen eigenen Willen und seine Werte über alles andere stellte, erschien ebenso wenig möglich wie es uns heute möglich wäre, sich bedingungslos dem Spruch eines Orakels, dem Willen eines Zeus zu unterwerfen. Denkbar zwar, jedoch absurd. Sein Geschick in die eigene Hand zu nehmen, macht den Menschen zum Übermenschen (''Friedrich Nietzsche''), weil er sich Göttliches anmaßt oder zum Sisyphos (''Albert Camus''), weil er all sein Mühen mit Sinnlosigkeit bezahlt bekommt, mit Einsamkeit, Absonderung, Heimatlosigkeit, denn den anderen erscheint er als zerrissen, zweideutig (totus ambiguus), gespalten und nach ''Bernard von Clairvaux'' über ''Abaelard'' sich selbst unähnlich (homo sibi dissimilis est), als Schlaumeier (prudentes nostri) und immer wieder als Trickster. Wer zeitlebens keine Ordnung (ordo) akzeptiert, erntet Chaos. Die antiken Tragödien zeigen das Schicksal Einzelner - Antigone, Elektra, Ödipus - weil sie keine andere Wahl hatten als sich dem Spruch der [[wiki:reisegoetter|Götter]] zu unterwerfen. Dass der Mensch seinen eigenen Willen und seine Werte über alles andere stellte, erschien ebenso wenig möglich wie es uns heute möglich wäre, sich bedingungslos dem Spruch eines Orakels, dem Willen eines Zeus zu unterwerfen. Denkbar zwar, jedoch absurd. Sein Geschick in die eigene Hand zu nehmen, macht den Menschen zum Übermenschen (''Friedrich Nietzsche''), weil er sich Göttliches anmaßt oder zum Sisyphos (''Albert Camus''), weil er all sein Mühen mit Sinnlosigkeit bezahlt bekommt, mit Einsamkeit, Absonderung, Heimatlosigkeit, denn den anderen erscheint er als zerrissen, zweideutig (totus ambiguus), gespalten und nach ''Bernard von Clairvaux'' über ''Abaelard'' sich selbst unähnlich (homo sibi dissimilis est), als Schlaumeier (prudentes nostri) und immer wieder als Trickster. Wer zeitlebens keine Ordnung (ordo) akzeptiert, erntet Chaos.
  
-Das antike »Erkenne dich selbst« über dem Tempeleingang von Delphi wurde im späten Mittelalter als »Scito te ipsum« wieder augefrischt, doch ohne Götter. Wenn zeitgleich im zwölften Jahrhundert die literarische Form der Autobiographie auflebte, weiß man, wer an deren Stelle getreten ist. Letzten Endes gibt es den Einzelnen seit der Mensch ein Ich-Bewußtsein hat, er also vom Apfel der Erkenntnis aß. Das verbindet den ''Adam'' des Alten Testamentes mit dem ''Enkidu'' der Sumerer, auch wenn bei diesem der Beischlaf die Erkenntnis bewirkte.+Das antike »Erkenne dich selbst« über dem Tempeleingang von Delphi wurde im späten Mittelalter als »Scito te ipsum« wieder augefrischt, doch ohne Götter. Wenn zeitgleich im zwölften Jahrhundert die literarische Form der [[wiki:biographien|Autobiographie]] auflebte, weiß man, wer an deren Stelle getreten ist. Letzten Endes gibt es den Einzelnen seit der Mensch ein Ich-Bewußtsein hat, er also vom Apfel der Erkenntnis aß. Das verbindet den ''Adam'' des Alten Testamentes mit dem ''Enkidu'' der Sumerer, auch wenn bei diesem der Beischlaf die Erkenntnis bewirkte.
  
-''Dante Alighiere'' (1265-1321) lässt den Odysseus sagen »Verweigert Euch nicht der [[wiki:erfahrung|Erfahrung]] jenseits der Sonne, einer Welt ohne Menschen« ((Göttliche Komödie, Inferno XXVI, 116–117)). Das setzt den Einzelnen voraus und seinen Willen, neue [[wiki:moeglichkeitssinn|Möglichkeitsräume]] zu erschließen, und wertet das Wissen höher als den Glauben.\\ +''Dante Alighiere'' (1265-1321) lässt den ''Odysseus'' sagen »Verweigert Euch nicht der [[wiki:erfahrung|Erfahrung]] jenseits der Sonne, einer [[wiki:welt|Welt]] ohne Menschen« ((Göttliche Komödie, Inferno XXVI, 116–117)). Das setzt den Einzelnen voraus und seinen Willen, neue [[wiki:moeglichkeitssinn|Möglichkeitsräume]] zu erschließen, und wertet das [[wiki:wissen|Wissen]] höher als den [[wiki:glaube|Glauben]].\\ 
-In der Geschichte des Reisens gilt oft ''Francesco Petrarca'' (1304-1374) durch seine Schilderung vom 26. April 1336 der Besteigung des //Monte Ventoux// als Protagonist, der seine Fahrt dem Ich widmete, dem das Naturleben zur Erfahrung des Selbst diente.\\ +In der Geschichte des [[wiki:reisen|Reisens]] gilt oft ''Francesco Petrarca'' (1304-1374) durch seine Schilderung vom 26. April 1336 der Besteigung des //Monte Ventoux// als Protagonist, der seine Fahrt dem Ich widmete, dem das Naturleben zur Erfahrung des Selbst diente.\\ 
 Als nächster Ich-Protagonist der reiseliterarischen Gattung der [[wiki:hodoeporicon|Hodoeporica]] gilt ''Johannes Butzbach'' (1478-1516), der seine autobiographischen Schrift [[wiki:odeporicon|Odeporicon]] 1505 niederschrieb, damit seine Erfahrungen anderen nützlich seien.\\  Als nächster Ich-Protagonist der reiseliterarischen Gattung der [[wiki:hodoeporicon|Hodoeporica]] gilt ''Johannes Butzbach'' (1478-1516), der seine autobiographischen Schrift [[wiki:odeporicon|Odeporicon]] 1505 niederschrieb, damit seine Erfahrungen anderen nützlich seien.\\ 
 Aus der Summe solcher individuellen Erfahrungen ließen sich Regeln verallgemeinernd ableiten, die die individuellen Erfahrungen so kanalisierten, damit es zu gesellschaftlich erwünschtem Wissen führte: die [[wiki:apodemik|Apodemik]] als Anleitung zum »richtigen« Reisen entstand. Aus der Summe solcher individuellen Erfahrungen ließen sich Regeln verallgemeinernd ableiten, die die individuellen Erfahrungen so kanalisierten, damit es zu gesellschaftlich erwünschtem Wissen führte: die [[wiki:apodemik|Apodemik]] als Anleitung zum »richtigen« Reisen entstand.
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 Eine andere Schnittstelle ergibt sich zum Verständnis von [[wiki:freiheit|Freiheit]]. Wenn der Einzelne in seiner Wertepyramide die Freiheit versteht, alles zu tun was beliebt, so führt dies auch dazu, dass die Freiheit anderer eingeschränkt wird. Die unbegrenzte individuelle Freiheit bedarf sozialer [[wiki:grenze|Grenzen]], weil nur dann die Freiheit aller möglichst groß ist. In diesem Sinne argumentiert der Verfassungsrechtler: Eine andere Schnittstelle ergibt sich zum Verständnis von [[wiki:freiheit|Freiheit]]. Wenn der Einzelne in seiner Wertepyramide die Freiheit versteht, alles zu tun was beliebt, so führt dies auch dazu, dass die Freiheit anderer eingeschränkt wird. Die unbegrenzte individuelle Freiheit bedarf sozialer [[wiki:grenze|Grenzen]], weil nur dann die Freiheit aller möglichst groß ist. In diesem Sinne argumentiert der Verfassungsrechtler:
   * ''Christoph Möllers''\\ //Freiheitsgrade.//\\ Elemente einer liberalen politischen Mechanik.\\ Suhrkamp Verlag, Berlin 2020   * ''Christoph Möllers''\\ //Freiheitsgrade.//\\ Elemente einer liberalen politischen Mechanik.\\ Suhrkamp Verlag, Berlin 2020
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 ==== Literatur ==== ==== Literatur ====
   * ''Bynum, Caroline Walker''\\ //Did the Twelfth Century Discover the Individual?//\\ The Journal of Ecclesiastical History. 31.1 (1980) 1-17.   * ''Bynum, Caroline Walker''\\ //Did the Twelfth Century Discover the Individual?//\\ The Journal of Ecclesiastical History. 31.1 (1980) 1-17.
wiki/einzelne.txt · Zuletzt geändert: 2024/04/10 14:14 von norbert

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