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wiki:der_wilde_mann

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wiki:der_wilde_mann [2025/05/24 04:42] – [Der Wilde Mann als mythische Figur in der Antike] Norbert Lüdtkewiki:der_wilde_mann [2025/12/12 04:54] (aktuell) – ↷ Links angepasst weil Seiten im Wiki verschoben wurden 74.7.227.161
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 ==== Der Wilde Mann als mythische Figur in der Antike ==== ==== Der Wilde Mann als mythische Figur in der Antike ====
  
-Die Figur des Wilden Mannes ist weit älter als der Begriff und findet seine Wurzeln in [[wiki:reisegoetter|Göttern]], Vegetationsgeistern, Halbgöttern, Heroen. Als psychologischer **Archetyp** steht er für den Menschen, der sich aus der Natur entfernt hat, indem er den Apfel der Erkenntnis aß. Dennoch bleibt er seiner Abstammung nach ein [[wiki:tiere|Tier]]. Diese archetypische [[wiki:stereotyp|Figur]] ist erschreckend und furchteinflößend, jedoch nicht feindlich gesinnt. Es ist vielmehr die Furcht vor der eigenen Wildheit, die angesprochen wird, weil der Mensch ursprünglich Teil der [[wiki:wildnis|Wildnis]] war. +Die Figur des Wilden Mannes ist weit älter als der Begriff und findet seine Wurzeln in [[wiki:reisegoetter|Göttern]], Vegetationsgeistern, Halbgöttern, Heroen. Als psychologischer **Archetyp** steht er für den Menschen, der sich aus der Natur entfernt hat, indem er den Apfel der Erkenntnis aß. Dennoch bleibt er seiner Abstammung nach ein [[wiki:tiere|Tier]]. Diese archetypische [[wiki:figuren_stereotype|Figur]] ist erschreckend und furchteinflößend, jedoch nicht feindlich gesinnt. Es ist vielmehr die Furcht vor der eigenen Wildheit, die angesprochen wird, weil der Mensch ursprünglich Teil der [[wiki:wildnis|Wildnis]] war. 
  
 Dort wird er durch seine Nähe zur Natur, durch Kraft und Stärke auch zur beschützenden Figur, seine Attribute sind Bart und Haare, Keule und einfachste Bekleidung (z.B. Blätter, Fell): Dort wird er durch seine Nähe zur Natur, durch Kraft und Stärke auch zur beschützenden Figur, seine Attribute sind Bart und Haare, Keule und einfachste Bekleidung (z.B. Blätter, Fell):
   * Der von Haaren bedeckte ''Esau'' steht als Jäger seinem kahlen und kultivierten Bruder ''Jakob'' gegenüber ([[https://www.bibelwissenschaft.de/bibelstelle/Gen%2025-36|Gen 25,29-34; 27,31]]). Starke Behaarung steht einerseits für Wildheit und andererseits für Dominanz über wilde Tiere ((''Mathias Winkler'': //Haare/Haartracht// in: [[https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/20185/|Bibellexikon]])).   * Der von Haaren bedeckte ''Esau'' steht als Jäger seinem kahlen und kultivierten Bruder ''Jakob'' gegenüber ([[https://www.bibelwissenschaft.de/bibelstelle/Gen%2025-36|Gen 25,29-34; 27,31]]). Starke Behaarung steht einerseits für Wildheit und andererseits für Dominanz über wilde Tiere ((''Mathias Winkler'': //Haare/Haartracht// in: [[https://www.bibelwissenschaft.de/stichwort/20185/|Bibellexikon]])).
   * Der ''Enkidu'' des [[https://www.lyrik.ch/lyrik/spur1/gilgame/gilgam1.htm|Gilgamesch-Epos]] (2./3. Jahrtausend BC in Mesopotamien) war völlig behaart und nur äußerlich menschenähnlich, lebte jedoch mit den [[wiki:tiere|Tieren]], bis ihn die Tempeldienerin ''Schamchat'' sieben Tage und Nächte lang verführte. Dabei erwarb er Einsicht, Vernunft und Sprache, so dass ihn fortan die Tiere mieden.    * Der ''Enkidu'' des [[https://www.lyrik.ch/lyrik/spur1/gilgame/gilgam1.htm|Gilgamesch-Epos]] (2./3. Jahrtausend BC in Mesopotamien) war völlig behaart und nur äußerlich menschenähnlich, lebte jedoch mit den [[wiki:tiere|Tieren]], bis ihn die Tempeldienerin ''Schamchat'' sieben Tage und Nächte lang verführte. Dabei erwarb er Einsicht, Vernunft und Sprache, so dass ihn fortan die Tiere mieden. 
-  * Als Wilder Mann mit [[wiki:stock_und_stab|Keule]] werden dargestellt:+  * Als Wilder Mann mit [[wiki:stock_stab|Keule]] werden dargestellt:
     * die indischen Lokapala,      * die indischen Lokapala, 
     * die hethitischen [[wiki:reisegoetter|Berggötter]],      * die hethitischen [[wiki:reisegoetter|Berggötter]], 
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 ==== Der Wilde Mann als Friedloser und Ausgeworfener im Mittelalter ==== ==== Der Wilde Mann als Friedloser und Ausgeworfener im Mittelalter ====
  
-Als **Waldgänger**, Warger oder **[[wiki:vargr|Vargr]]** ist er ein Friedloser oder rumelant (homo qui per silvas vadit) ((Grimm: Rechtsaltertümer 2. Ausg. S. 733)), weil er nicht friedlich in und mit seiner Gemeinschaft leben kann, daraus verstoßen wurde und wieder zum Tier wird. Daraus begründet sich eine moralische Norm und ein Rechtsgrundsatz, der den Waldgänger als ehrlos, rechtlos und [[wiki:heimatlos|heimatlos]] kennzeichnet, einen [[wiki:outlaw|Outlaw]] eben. Acht und Bann waren //de jure// keine Todesstrafe, liefen jedoch //de facto// darauf hinaus. Über viele Jahrhunderte bedeutete in Germanien zu siedeln mit der Großfamilie in einem einräumigen Langhaus mit Gesinde und Vieh zu leben. Wer dort ausgeschlossen wurde, fand keine neue Heimat in einer Welt, die kaum größere Dörfer und gar keine Städte kannte. Es blieb nur der Weg in den Wald. ((Oliver Berggötz: [[www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-128356|Rezension]] in: H-Soz-Kult 08.08.2022 zu: Steuer, Heiko: "Germanen" aus Sicht der Archäologie. Neue Thesen zu einem alten Thema. Berlin 2021)). Ursprünglich müssen diese Geächteten wohl Wolfsfelle getragen haben ((Wolf hoc est expulsus de eodem pagus; vargus esto, vargus habeatur; Wolfshaupt: quod anglice wulfes heved dicitur; ex tunc enim (uthlagati) gerunt caput lupinum ...)). Erst 1030 wurde ein Gesetz erlassen, das Waldgängern nach 20 Jahren in der [[wiki:wildnis|Wildnis]] die Rückkehr in die Gemeinschaft erlaubte. ((Grimm: Rechtsaltertümer. Leipzig 1922, Bd. 2, 335))+Als **Waldgänger**, Warger oder **[[wiki:vargr|Vargr]]** ist er ein Friedloser oder rumelant (homo qui per silvas vadit) ((Grimm: Rechtsaltertümer 2. Ausg. S. 733)), weil er nicht friedlich in und mit seiner Gemeinschaft leben kann, daraus verstoßen wurde und wieder zum Tier wird. Daraus begründet sich eine moralische Norm und ein Rechtsgrundsatz, der den Waldgänger als ehrlos, rechtlos und [[wiki:heimatlos|heimatlos]] kennzeichnet, einen [[wiki:outlaw|Outlaw]] eben. Acht und Bann waren //de jure// keine Todesstrafe, liefen jedoch //de facto// darauf hinaus. Über viele Jahrhunderte bedeutete in Germanien zu siedeln mit der Großfamilie in einem einräumigen Langhaus mit Gesinde und Vieh zu leben. Wer dort ausgeschlossen wurde, fand keine neue Heimat in einer Welt, die kaum größere Dörfer und gar keine Städte kannte. Es blieb nur der Weg in den Wald. ((Oliver Berggötz: [[https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-128356|Rezension]] in: H-Soz-Kult 08.08.2022 zu: Steuer, Heiko: "Germanen" aus Sicht der Archäologie. Neue Thesen zu einem alten Thema. Berlin 2021)). Ursprünglich müssen diese Geächteten wohl Wolfsfelle getragen haben ((Wolf hoc est expulsus de eodem pagus; vargus esto, vargus habeatur; Wolfshaupt: quod anglice wulfes heved dicitur; ex tunc enim (uthlagati) gerunt caput lupinum ...)). Erst 1030 wurde ein Gesetz erlassen, das Waldgängern nach 20 Jahren in der [[wiki:wildnis|Wildnis]] die Rückkehr in die Gemeinschaft erlaubte. ((Grimm: Rechtsaltertümer. Leipzig 1922, Bd. 2, 335))
   * ''Erler, A.''\\ //Friedlosigkeit und Werwolfglaube//.\\ Paideuma 1.7 (1940) 303-317. [[https://www.jstor.org/stable/40341066|Online]]    * ''Erler, A.''\\ //Friedlosigkeit und Werwolfglaube//.\\ Paideuma 1.7 (1940) 303-317. [[https://www.jstor.org/stable/40341066|Online]] 
  
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   * ''M A Katritzky''\\ //A wonderfull monster borne in Germany’: hairy girls in medieval and early modern German book, court and performance culture.//\\ German Life and Letters, 67.4 (2014) 467–480.   * ''M A Katritzky''\\ //A wonderfull monster borne in Germany’: hairy girls in medieval and early modern German book, court and performance culture.//\\ German Life and Letters, 67.4 (2014) 467–480.
  
-Der Wilde Mann und die Wilde Frau wurden von der mythischen Figur zum [[wiki:stereotyp|Stereotyp]] von [[wiki:aussenseiter|Außenseitern]], die ein Leben [[wiki:einzelne|Einzelner]] außerhalb der Gemeinschaft führten, also auch allgemeingültige Normen (Sitten, Gebräuche, Regeln) neu definierten: »homo agrestis corpore magnus et pilosus ut porcus« ((''Zingerle von Summersberg, Oswald''\\ //Die Quellen zum "Alexander" des Rudolf von Ems.//\\ Im Anhange: Die "Historia de preliis". Breslau 1885: W. Koebner. Nachdruck Hildesheim 1977: Olms. S. 237, 104.15)), von bäurischer Gestalt und behaart wie ein Schwein. Gegensätze zeigten sich in Natur/Kultur, Christentum/Heiden, befriedeter Bereich/[[wiki:wildnis|Wildnis]], Vertrautes/[[wiki:fremdes|Fremdes]], Heimat/[[wiki:unterwegs-sein|Unterwegs-sein]], Wildes/Zahmes, Trieb/Askese, bekleidet/nackt (→ [[wiki:der_fahrende_haendler|Fahrende Händler]]), grob/fein usw.\\ +Der Wilde Mann und die Wilde Frau wurden von der mythischen Figur zum [[wiki:figuren_stereotype|Stereotyp]] von [[wiki:aussenseiter|Außenseitern]], die ein Leben [[wiki:einzelne|Einzelner]] außerhalb der Gemeinschaft führten, also auch allgemeingültige Normen (Sitten, Gebräuche, Regeln) neu definierten: »homo agrestis corpore magnus et pilosus ut porcus« ((''Zingerle von Summersberg, Oswald''\\ //Die Quellen zum "Alexander" des Rudolf von Ems.//\\ Im Anhange: Die "Historia de preliis". Breslau 1885: W. Koebner. Nachdruck Hildesheim 1977: Olms. S. 237, 104.15)), von bäurischer Gestalt und behaart wie ein Schwein. Gegensätze zeigten sich in Natur/Kultur, Christentum/Heiden, befriedeter Bereich/[[wiki:wildnis|Wildnis]], Vertrautes/[[wiki:fremdes|Fremdes]], Heimat/[[wiki:unterwegs-sein|Unterwegs-sein]], Wildes/Zahmes, Trieb/Askese, bekleidet/nackt (→ [[wiki:der_fahrende_haendler|Fahrende Händler]]), grob/fein usw.\\ 
 Neu war jedoch, das sich die Bewertung dieser Gegensätze veränderte, dass ein Leben außerhalb nicht mehr nur ein Leben in Sünde und Verdammnis war, sondern als Lebensform mit neuen Möglichkeiten wahrgenommen wurde ((''Yamamoto, Dorothy''\\ //The Boundaries of the Human in Medieval English Literature.//\\ Oxford 2000. S. 150-151.\\ NN: //The Wild Men of the Pyrenees//. Perennialpyrenees January 16, 2018. [[https://perennialpyrenees.com/2018/01/16/article-21-the-wild-men-of-the-pyrenees/|Online]])).  Neu war jedoch, das sich die Bewertung dieser Gegensätze veränderte, dass ein Leben außerhalb nicht mehr nur ein Leben in Sünde und Verdammnis war, sondern als Lebensform mit neuen Möglichkeiten wahrgenommen wurde ((''Yamamoto, Dorothy''\\ //The Boundaries of the Human in Medieval English Literature.//\\ Oxford 2000. S. 150-151.\\ NN: //The Wild Men of the Pyrenees//. Perennialpyrenees January 16, 2018. [[https://perennialpyrenees.com/2018/01/16/article-21-the-wild-men-of-the-pyrenees/|Online]])). 
  
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